Freitag, Mai 13, 2005

Im Wartezimmer des Grauens

Kennen Sie das Gefühl, wenn Sie in der Früh aufstehen und absolut keine Lust auf arbeiten haben? Ich hoffe schon, denn ich kenne dieses Gefühl zur Genüge. Es überkommt mich öfter als mir lieb ist und dennoch ignoriere ich es zumeist. Aber man kann es nicht immer ignorieren - ich zumindest nicht. Also begab es sich eines schönen Tages (Badewetter zeichnete sich ab), dass ich beschloss einmal so richtig blau zu machen. Nein, heute würde ich nicht produktiv sein, dies war nun beschlossen. Aber ganz so einfach geht das leider nicht. Erster Schritt: Telefonische Krankmeldung an die Firma. Dies geht ganz einfach, man tippt die Telefonnummer ein und meldet sich krank. Aber halt - so einfach ist es nun auch wieder nicht. Noch während des eintippens der Telefonnummer überkam mich mein Drang zur Glaubwürdigkeit und zum Perfektionismus. Der Hörer wurde wieder aufgelegt und stattdessen bahnte ich mir meinen Weg ins Badezimmer. Dort angekommen begann ich, bewaffnet mit meiner Zahnbürste im Mund, unter der Dusche herzhaft und lautstark zu singen - solange, bis ich heiser wurde und mir die Nachbarn durch wütendes Klopfen mit dem Besenstiel an die Decke zu verstehen gaben, dass ich wohl niemals ein Gesangsstar werden würde und sie im Begriff wären, gleich das Mobile Einsatzkommando und die Anti-Terror Einheit zu alarmieren wenn ich nicht sofort verstummen würde. Ein bisschen enttäuscht die dritte Strophe von "Stille Nacht" nicht mehr zu Ende singen zu können aber einsichtig, dass dies im August wohl doch ein Wenig unpassend wäre ließ ich von meinem schändlichen Treiben ab. Was solls - mein Ziel war ja erreicht, ich war heiser als hätte ich drei Nächte durchzecht. Nun musste ich mich nur noch in die richtige Stimmung des "armen Kranken" begeben und stand deshalb noch einige Minuten vor dem Spiegel wo ich innerlich durchaus amüsiert die herzzerreißendsten und leidensten Grimassen schnitt. Gleichzeitig versuchte ich mich selbst davon zu überzeugen, wirklich krank zu sein wobei ich sorgfältig vorgehen musste. Immerhin musste ich ja im Hinterkopf behalten, dass ich in Wirklichkeit ja kerngesund war und blaumachen nur als fitter Mensch wirklich witzig ist. Vorbereitungen abgeschlossen, den Telefonhörer erneut ergriffen, die Nummer tipseln und schon war ich mit der Sekretärin verbunden, der ich in den schillernsten Bildern meine Krankheit schilderte (etwas unverbindliches, grippeähnliches eignet sich hierzu am Besten). Die Sekretärin bemitleidete mich noch gebührend, was ich mit Wohlwollen zur Kenntnis nahm und sodann war der Schritt 1 zur Freiheit erfüllt.
Doch der wahrlich schwierigere Teil meiner Schandtat lag noch vor mir. Die Sekretärin via Telefon von meiner Krankheit zu überzeugen war ja nicht wirklich unlösbar, doch nun sollte der finale, der ultimative Schritt 2 kommen. Die Krankschreibung durch den Hausarzt!!!
Ich machte mich auf den Weg und während ich so spazierte, beschloss ich, dass sich meine erfundene Krankheit doch eigentlich gleich über drei Tage erstrecken könnte. Ist ja auch viel glaubwürdiger, denn wer wird schon wirklich nach einem Tag wieder gesund? Ich betrat das Wartezimmer und musste erkennen, dass ich nicht der Einzige Patient des heutigen Tages sei. Drei Pensionisten saßen bereits hüstelnd und tratschend auf den unbequemen Sesseln. Ich beschloss mich nicht um diese Mit-Wartenden zu kümmern, steckte mir meine Headphones ins Ohr, drehte die Lautstärke auf ohrenbetäubend, fing zu headbangen an und schnappte mir ein ärztliches Fachmagazin um mit keinem der Pensionisten Blickkontakt halten zu müssen oder gar in ein Gespräch verwickelt zu werden. Bitte verstehen sie mich nicht falsch, ich mag ältere Menschen genauso wie junge. Eigentlich mag ich ja alle Menschen und bin demnach mehr Menschenfreund als Misanthrop doch in diesem Fall musste ich mich auf meine schauspielerischen Fähigkeiten, die ich ja später brauchen würde, konzentrieren. Nach ca. 5 Minuten kam dennoch ein Pensionist auf mich zu, klopfte mir auf die Schulter und übergab mir eine Petition auf der alle drei Mit-Wartenden gegen den Lärm aus meinen Kopfhörer protestierten und von mir eine sofortige Einstellung dieser Lärmquelle verlangten. Schockiert über meine eigene Rücksichtslosigkeit stellte ich mein Gerät natürlich sofort ab und die Blicke der Alten gaben mir zu verstehen, dass sie mir wieder verziehen hatten. Wir nickten uns noch eine Weile zu und wahrscheinlich wäre dies noch länger so weitergegangen, wenn nicht auch noch andere Menschen das Wartezimmer betreten hätten. Eine junge Mami die ihre hyperaktiven Kinder zu bändigen versuchte, ein Mensch der Klasse Manager sowie ein wirklich blasser etwas 40 jähriger Typ, der sich neben mich setzte und fortan seine Bazillen (er schien wahrlich krank zu sein) in meine Richtung schleuderte. Aber endlich kam Bewegung in die Bude und der erste der drei Pensionsten ging in das Arztzimmer, verließ es eine Stunde später und der nächste folgte. Nun war das Wartezimmer gerammelt voll mit Menschen die allerlei Krankheiten zu haben schienen. Mir wurde nun ein Wenig unwohl in meiner Haut und verzweifelt starrte ich aus dem Fenster, in die Freiheit, in ein Gebiet, dass nicht viren- und bazillenverseucht war. Nun ging der letzte der Pensionisten in das Wartezimmer und ich würde der Nächste sein. Aber mir ging es nun gar nicht mehr gut. All diese Hustenden Menschen um mich herum hatten ihre Wirkung nicht verfehlt. Ich begann zu schwitzen, meine Stirn wurde heiß und ich verspürte ein grauenhaftes Kratzen im Hals. Meine Augen begannen eigentümlich zu schmerzen und auch meine Glieder fühlten sich eigentümlich schwer an. Ich schleppte mich ins Arztzimmer. Dort angekommen, der Ohnmacht nahe, begann der Arzt mit der Diagnose, machte ein besorgtes Gesicht, verschrieb mir allerlei Medikament und trug mir auf, mindestens eine Woche das Bett zu hüten. Ich war nun wirklich und wahrhaft erkrankt. Mit zitternden Händen übernahm ich das Rezept und die Krankschreibung, schleppte mich von dannen, in die nächste Apotheke und von dort direkt nach Hause. Dort angekommen bemitleidete ich mich selbst, warf mir sämtliche Medikamente ein und hütete fortan das Bett. Meine Krankheit, etwas undefinierbares grippeähnliches, dauerte eine ganze Woche in der mich Fieberphantasien und der gemeine Schüttelfrost quälten. Es war die schrecklichste Woche meines Lebens!!!

1 Kommentar:

Miguel de Cervantes hat gesagt…

;) (ich liebe solche vielsagenden Kommentare)