"Cogito ergo sum - ich denke also bin ich" - dieser Spruch von Renè Descartes schoss mir in mein Hirn während ich einmal mehr eine komplett langweilige und nicht wirklich große Konzentration erfordernde Arbeit verrichtete. Kurz bevor ich diesen Spruch für mich geistig als richtig empfinden wollte schoss mir dieser kanadische B-Movie dessen Namen ich nicht mehr weiß in den Sinn. Der Film war zwar komplett mies doch durch einen Spruch der immer wieder im Laufe der Handlung wiederholt wurde blieb er wohl im Gedächtnis - "Ich träume also bin ich NICHT...". Mit diesem "NICHT" war ein "bin ich nicht verrückt!" gemeint (und während ich diese Zeilen schreibe, hatte ich gerade ein eigenartiges 20 sekündiges Dejavu-Erlebnis, nur als kleine Anmerkung).
Ja, "Ich träume also bin ich nicht verrückt!" - diesem Spruch kann ich wohl eher zustimmen. Sind es nicht unsere eigenen Träume die uns von anderen abheben, auch wenn viele meinen, sie würden Individualität kaufen können? Individualität kann, sofern sie überhaupt existieren kann, nur in der Manifestation sowie der Realisierung unserer eigenen Träume existieren. Mit dieser Erkenntnis bin ich zufrieden, mein Gehirn beginnt nun zu rotieren, für diese Prüfung von gefertigten Teile brauche ich wirklich nicht meine ganze Konzentration, alle Infos die ich brauche sehe ich am Bildschirm des Rechners, ich mache diese Arbeit nicht zum ersten Mal und obwohl ich kein Techniker bin begreife ich Dinge schnell, meine "Arbeiter-Gene" wirken in dieser Industriewelt, sie machen sich nicht nur in Sprache und Verhalten bemerkbar, und wie ich weiter mit den Teilen verfahren sollte weiß ich nun schon instinktiv - es gibt ja nur 5 - 6 Möglichkeiten von Fehlern die hierbei auftreten können. Also beginnt mein Working-Dream, ein gedachter Traum während der Arbeit.
Mein gedachter Traum schweift einige Jahre zurück in der Zeit - die alte Half-Pipe Crew, verdammt waren wir dreist. Jung und doch dachten wir, wir könnten alles zerreißen, niemand könnte uns etwas anhaben, wir fühlten uns unsterblich wenn wir auf den Skateboards in der Pipe kurvten, wir fühlten uns erwachsen, wenn wir Zigaretten rauchten und Bier tranken. Aus vielen Leuten von damals wurde etwas (und da schließe ich mich jetzt natürlich auch ein), manche verpassten aber den Anschluss ans richtige Leben und blieben stetig junge Teenager, wiederum andere kennt man heute nicht mehr, sie sind dem Blickfeld entschwunden.
Mein gedachter Arbeits-Traum schweift weiter in der Zeit. Jahre vergehen und ich sehe mich plötzlich mit einem zufriedenen Grinsen im Gesicht - die erste wirkliche Liebe. Verdammt, war das alles neue dazumals. Nicht ohne jetzt selbst über mich zu lächeln sehe ich mich nun selbstkritischer und lache über all die Aktionen die ich für sie aufführte - und ich muss einsehen, ich war nicht unoriginell denn es hatte seine Wirkung nicht verfehlt. In meinem gedachten Traum sehe ich dies aber doch mit etwas Abstand und so muss ich schließlich auch erkennen, dass bei der ganzen Sache zwischen Ihr und Mir auch sehr viel Selbstsucht im Spiel war - und doch, es war eine aufregende Zeit die man gegen nichts auf der Welt eintauschen möchte. Liebe, eigentlicht ein komisches Gefühl für einen stets an Rationalität bedachten Menschen wie ich einer bin. Und doch - es ist ein Gefühl das sovieles sekundär erscheinen lässt das einst wichtig, es lässt gerade das unwichtige in den Vordergrund treten, es schafft und zerstört gleichermaßen. Denke zurück an den Abschied, denke daran, wie es ihr jetzt wohl geht. Doch alles ohne Wehmut, ohne einen Gedanken an Verschwendung zu verschwenden, ohne auch nur eine Sekunde, einen Streit, eine Diskussion, eine Minute der Ewigkeit zu bereuen. Es scheint ein Glück zu sein sich zu verlieben. Ich beschließe für mich selbst, dass dies einem Menschen nur maximal fünfmal im Leben gelingen wird, mit diesem Beschluss bin ich zufrieden. Noch vier Chancen im Rest meines Lebens - damit kann ich mehr als gut leben. Und doch schweife ich zu ihr zurück, es passiert selten, auch wenn im Vergleich zu einem ganzen Leben nur geringe Zeit verstrichen ist erscheint es mir, als würde ich über eine andere Realität nachdenken. Eine Realität die ich kannte, eine Realität die mit billigen One-Night-Stands nicht auszugleichen ist, eine Realität die so fern und doch sehr nahe liegt. Ich frage mich nun, wie es ihr wohl geht? Hat sie endlich gefunden, wonach sie immer suchte? Sucher sind wir alle, der eine findet es im Partner, der andere im Job, wiederum ein anderer in der Philosophie. Auch wenn es nicht so endete wie ich es wollte, auch wenn keine große Dramatik wie ich es aus Filmen kannte dahinterstand und es mir immer ausmalte, ja, beizeiten denke ich noch an Zeiten in denen nur das unwichtige als wichtig erschien.
Mit eiligem Tempo zurück in die Vergangenheit. Nun sehe ich mich selbst als kleines Kind - zu einer Zeit als meine Haare noch strohblond waren bevor sie mit dem älterwerden immer dünkler wurden. Ja, ich war ein schüchternes Kind, unaufällig, höflich distanziert - aber ich lachte schon damals sehr oft und gerne. Somit hat sich zumindest in diesem Punkt nicht viel geändert. Kindheit - eine Zeit bevor man Dinge begreift, die in einem den Zorn schüren, eine Zeit, in der man die Realität ohne mit der Wimper zu zucken mit der Phantasie vermischen kann. Damals kannte man als Arbeiterkind keinen Zorn über die Bonzen die deine eigenen Verwandten und später einmal dich selbst, deine Freunde, deine Frau und noch viel später deine Kinder ausbeuten werden. Man sieht nur seine Welt in der man aufwächst und was nicht gefällt wird einfach wegradiert. Und doch, ja selbst damals konnte ich schon Ungerechtigkeiten beim Tod nicht ausstehen, trotz aller Schüchternheit und eines mehr als höflichen Wesens für ein Kind konnte ich bei ungerechten Dingen leicht rot sehen und protestierte heftig dagegen - ob ich mir diese Eigenschaft bis heute in dieser reinen Form bewahren konnte - ich weiß es nicht doch tippe ich leider auf "Nein". Selbst mit dem Alter von 21 Jahren musste man schon zuviele Kompromisse eingehen, zuviele aalglatte Wege gehen - der steinige Weg scheint nur in Filmen verführerisch, in der Realität rollt es sich auf Asphalt einfach besser.
Stand nicht heute in der Zeitung bei den Todesnachrichten ein bekannter Name den ich mehr oder weniger überlas? Ja klar, jetzt fällt es mir wieder ein, es war ein Bewohner des Seniorenheimes in dem ich meinen Zivil-Zwangsarbeitsdienst für € 1,20 die Stunde ableistete (das Bundesheer empfand ich schon immer als dumm). Ja, diesen Menschen kannte ich und nun schweift mein gedachter Traum in diese Zeit ab. Oh mein Gott, wie hatte ich mich doch immer über die Leitung dieser Einrichtung, die wie die Halb-Nazis mit ihren Mitarbeitern umsprangen, geärgert! Doch trotz all diesen Ärger war dies eine interessante Zeit. Ich kam dort als Absolvent einer höheren wirtschaftlichen Schule rein, fokussiert auf nichts andere als Erfolg im Leben, und kehrte als mehr oder weniger geläuterter Mensch dem nun Erfolg nur mehr sekundär als wichtig erschien nach einem Jahr wieder in die "normale" Welt zurück.
"Mikey, bist du übermotiviert, oder was? In fünf Minuten ist Schichtwechsel!" - diese Worte reißen mich aus meinem Working-Dream. Verdammt, ist jetzt schon soviel Zeit vergangen? Ein kurzer Blick auf die Uhr, ja damn, es stimmt. Die letzten drei Stunden erschienen mir wie zehn Minuten, ein working-dream verkürzt die Arbeitszeit mental ungemein und gerade deshalb ist er so vorteilhaft. Ich mache den Arbeitsplatz noch sauber für meinen Nachfolger, freue mich kurz darüber, als ich entdecke, dass ich mein Arbeitspensum heute mehr als nur erfüllt habe (auch wenn es niemandem außer mir ausfällt, auf Dank ist man ja auch nicht bedacht). Ich gehe noch schnell in den Waschraum, wasche meine Hände, kaltes Wasser läuft über mein Gesicht - ein Realitätsschub. An der Stechuhr treffe ich meine Arbeitskollegen mit denen ich die letzten 8 Stunden verbrachte wieder, kurze Witze, ein bisschen Galgenhumor ob des morgen zu erwartenden Stresses, kurzer Handschlag beim Abschied. Man verlässt das Fabriksgelände. Ich stecke die Headphones in mein Ohr. Ska-Sound betäubt nun meine Sinne. Schwinge mich auf mein Bike, ein Sportgerät an dem ich soviele Stunden meines Lebens mit herumschrauben und der Benützung verbringe. Ich trete in die Pedale, drehe die Lautstärke bis zum Anschlag und fahre die acht Kilometer bis nach Hause mit einem mehr als ausgeglichenen Gefühl. "Ich träume also bin ich nicht...!"
Miguel de Cervantes
Dienstag, August 02, 2005
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4 Kommentare:
nachdenklich aber eigentlich stimmts, beim arbeiten schweift man schnell ab
jeppa, und deshalb hab ich darüber auch gleich einen artikel verfasst (sonst hätt mich die thematik sicher noch wochen verfolgt ;) )
recyclingfachtechniker!! geh nasenbohren du kasperl!! - !! gg soll witzig sein!!
ich niese dich an, wenn ich dich das nächste mal sehe - wo der rotz landen soll kannst du dir aussuchen !!! soll witzig sein
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