Darf ich vorstellen - Sancho, mein Nachbar. Er erhält nun zum ersten mal einen Auftritt auf dieser Weblog. Nicht das Sancho besonders wäre, ich kann ihn nicht einmal gut leiden. Überdies ist Sancho eigentlich ein ziemlich ungemütlicher, ja fast schon misantropischer Mensch. Wir versuchen auch immer, wann immer es nur irgendwie möglich ist, uns aus den Weg zu gehen. Dies hat seine Gründe, Sancho ist leidenschaftlicher Nasenbohrer, er flucht, er trinkt und steht an freien Tagen kaum vor 14 Uhr auf. Ein richtiger Penner dieser Typ und eben alles was ich nicht bin zumahl ich das Nasenbohren aus meinem tiefsten Inneren verabscheue und auch moralisch ablehne, nicht fluche, wenig trinke und an freien Tagen oftmals schon sehr früh aufstehe um die Morgenluft zu genießen und ein Wenig Sport zu betreiben oder einfach nur ein gutes Buch zu lesen. Ja, wir haben keine Gemeinsamkeiten und mögen uns nicht.
Aber trotzdem ergab es sich eines Tages, dass ich, der ich ja ein aufgeklärter und kultivierter Mensch bin (immerhin lese ich nicht nur täglich die Zeitung sondern auch Wirtschafts- und Politmagazine, ich war schon einmal im Theater und kenne die besten Musikbands abseits der Mainstream-Kommerz-Popbranche) trotz all meiner Bemühungen Sancho aus dem Weg zu gehen auf diesen feisten und ganz und gar unguten Mensch traf. Es geschah folgendermaßen.
Eines Tages beschloss meine Netzwerkkarte meines Computers in unbefristeten Streik zu treten. Als Verfechter von Solidarität, Anhänger und Mitglied der Gewerkschaft akzeptierte ich diesen Streik und entließ meine Netzwerkkarte, die bis dahin ein treuer Mitarbeiter gewesen war, in die Wohlverdiente Pension samt immerwährendem Urlaub auf den Sperrmüllplatz und begann alsbald nach einem adäquaten Nachfolger Ausschau zu halten, im Wissen, dass diese Nachfolge-Netzwerkkarte wohl nie ein so inniges Verhältnis zu mir aufbauen könnte wie es die alte getan hatte. Trotzdem suchte ich ein Computer- und Elektrofachgeschäft auf. Keine Netzwerkkarte schien meinen hoch gestellten Anforderungen zu entsprechen, zu schmerzlich war die Erinnerung an die alte und genau zu dem Zeitpunkt als ich schon, mit Tränen in den Augen, aufgeben wollte erspähte ich sie. Eine Netzwerkkarte vom selben Hersteller wie meine verblichene und nicht nur das, es war sogar das selbe Modell wenn auch modifiziert. Nun wichen meine Tränen der Trauer wahren Freudentränen - es war Liebe auf den ersten Blick. Gelassen und ruhigen Schrittes marschierte ich auf das Regal zu, streckte meine Hand nach ihr aus und spürte auf einmal etwas sonderbares. Ein Blick genügte - es war eine Hand und nachdem eine Hand von mir nach der Netzwerkkarte grabschte und die zweite (nachdem ich zwei Hände habe) lässig in meiner Hosentasche ruhte konnte dies nichts Gutes bedeuten. Ich schaute zu meiner Rechten und erspähte ihn - Sancho.
Wir musterten uns mißtrauisch (wie wir es ja schon früher in der Sandkiste taten nachdem wir gleich alt sind) und dann geschah das Unglaubliche. Dieser Tropf riss die Netzwerkkarte in seine Richtung doch diese Rechnung hatte er ohne mich gemacht. Ich leistete Widerstand und so zerrten wir und zerrten wir doch es schien ein ausgeglichenes Kräftemessen zu sein sodass wir beide vom Gezerre abließen. Sancho, der von Fair-Play natürlich keine Ahnung hatte, hatte jedoch noch ein As im Ärmel. Mit seiner zweiten Hand (denn auch er hat zwei Hände) begann er damit, provokativ in der Nase zu bohren und alsbald das Resultat seiner Bohrerei, nähmlich kleine Rotzkügelchen, bedrohlich in meine Richtung zu schnippsen. Doch wenn er nun meinte ich würde angewidert klein beigeben, dann hatte er meine leichte Frühjahrsbronchitis (die mich jedes Frühjahr für eine Woche ereilt) bei weitem unterschätzt. So begann ich nun meinerseits zu Husten, am Beginn hüstelnd doch stetig anschwellend bis es zu einem Urzeitlichen Gehuste wurde. Um zu zeigen wie ernst ich es meinte begann ich auch noch ab und an zu niesen, drehte ich mich dabei in seine Richtung und hielt mir nicht einmal meine zweite Hand vor dem Mund. Wenn dieser Dreckskerl Rotz sät dann wird er Millionen Bazillen aus meinem Lungenflügel ernten. Die ersten Schaulustigen begannen für uns Interesse zu entwickeln.
Doch der Krieg begann - selbst in mir stieg ein Gefühl der Wut und des Zorns hoch und so begab es sich, dass wir beide auf einander losgingen, jeder eine Hand auf der Verpackung der Netzwerkkarte und die zweite am Hals des Kontrahenten. So taumelten wir würgend durch das Geschäft, überliefen im Eifer des Gefechtes eine alte Dame (was uns heute sehr leid tut - sogar Sancho, dies muss ich der Fairness halber anmerken) und landeten schließlich im Wühlkorb für alte, verbilligte Computerspiele. Nun begannen wir uns durch heftige Faustschläge gegen die Nieren und die Leber des jeweils anderen zu traktieren. Wenn zu diesem Zeitpunkt nicht der Fililleiter samt gesamten Mitarbeiterstab angerückt wäre, wir hätten uns wahrscheinlich gegenseitig totgeschlagen doch nun holten sie uns, mit zerrauften Frisuren, zerknitterten Klamotten und blutenden Nasen aus den Wühltisch. Zu unserem Glück sah der Filialleiter von einer Anzeige ab, da er meinte, er würde die Fotos von uns beiden im Wühltisch sehr gut für eine Konzernweite Werbeaktion gebrauchen können und damit wäre seine Beförderung sicher - wir mussten nur Einverständniserklärungen zur Veröffentlichung der Bilder unterzeichnen. Des weiteren bekam keiner von uns, dies war wahrscheinlich als erzieherische Maßnahme gedacht, die heiß umkämpfte Netzwerkkarte und auch die alte Dame konnte sich auf Grund ihres fortgeschrittenen Alzheimers nicht mehr darin erinnern, überlaufen worden zu sein.
Sancho und ich sprachen seit diesem Tag kein Wort miteinander doch jedes mal wenn wir uns zufällig begegnen habe ich das Gefühl kleine Rotzkügelchen in meine Richtung fliegen zu sehen und mich überkommt ein gewisser Hust- und Niesreiz. Die Schlacht wurde zwar nicht gewonnen doch der Kalte Krieg ist noch lange nicht aus.
Freitag, April 15, 2005
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