Montag, Mai 02, 2005

Eigentlich sollte ich ja...

... na was nun? Ich weiß doch ganz genau, ich hatte noch etwas vor. Aber jetzt - ich kann mich einfach nicht erinnern, Was war das nun? Ich werde ja schon fast wahnsinnig. Etwas zu trinken holen? Nein, ich denke ich komme die nächste Stunde mit einer Zweiliterpackung Eistee (Geschmacksrichtung Zitrone, weil das die beste Geschmacksrichtung ist) aus. Eine Zigarette rauchen? Auch nicht, ich bin ja nicht irre, bei meiner Verkühlung und meinem Schnupfen sollte ich nun wirklich nichts meiner Gesundheit abträgliches machen. Ich könnte ja mal meine Ex anrufen, fragen wie es ihr so geht, mich bei Gelegenheit gleich für Dinge entschuldigen die ich zwar nicht getan habe aber trotzdem wäre es ein feiner Zug meinerseits, wenn ich mich entschuldigen würde. Meine Hand greift zu Handy, ich will wählen - aber nein, ich habe ja die Nummer gelöscht (ist ja auch meine Ex, für was brauche ich die Nummer denn noch). Nicht das ich die Nummer nicht auswendig wüsste aber das ist nicht so stylish und auf einmal hab ich auch gar nicht mehr das Bedürfnis mich zu entschuldigen. Ich könnte doch etwas nettes machen - ja, genau, das mache ich jetzt auch. Ich rufe einen Freund an und beruhige ihn: "Du brauchst dein Computerspiel nicht mehr suchen - das liegt bei mir zu Hause, hast es in meinem Zimmer vergessen - du wirst sie in den kommenden Monaten zurückerhalten!". Ein mehr als feiner Charakterzug von mir übrigens - ausgeborgte Dinge gebe ich zurück, nur kann es halt ein paar Monate dauern bis ich wieder daran denke, dass ich dieses oder jenes noch nicht zurückgegeben habe.
Hmm, jetzt war ich also auch schon nett und doch habe ich immer noch das Gefühl irgendetwas vergessen zu haben. Mir jetzt egal, ich gehe ins Badezimmer und putze mir die Zähne (nach einem riesigen Becher Vannileeis ist das auch ratsam). Wiederzurückgekehrt schwant mir böses. Ja, genau - ich sehe das Unheil. Katholiken würden es den Anti-Christen nennen, in den USA zur Zeit der Kommunistenhetze wäre es mit dem "evil empire" gleichzusetzen gewesen (auch wenn dieser Begriff erst durch Ronald Reagan geprägt wurde), Anhänger des Rastafari bzw. Patwah Kultes würden wahrscheinlich von "Babylon" sprechen - ich nenne meinen "Public Relations" - Reader. Oh mein Gott - tausende und abertausende Seiten, kleingedruckt, zusammenkopiert, mit Fußnoten und Quellenverzeichnis. Meine Sinne schwinden. Mir wird schwarz vor Augen. Flucht! Aber es hilft nichts, ich muss diesen Reader durchackern und lernen will ich gegen Ende Juni die Prüfung bestehen und dabei meinen mehr als guten Notendurchschnitt halten (das ist so ein Ego-Ding von mir, ich steh total auf meinen Notendurchschnitt - nicht weil ich besonders erpicht auf gute Noten wäre sondern einfach, weil ich es gerne habe, wenn ich viele Zahlen zusammenzähle, es dividiere und eine möglichst niedrige Zahl herauskommt).
Aber für so einen Reader bedarf es genauer und akribischer Vorbereitung - man spielt ja auch nicht Fußball ohne sich vorher aufzuwärmen - das Verletzungsrisiko wäre ansonsten viel zu hoch. Also erst einmal geht es ab zu der Box mit den Taschentüchern wo ich mich vorsichtshalber erst einmal mit mindestens 12 Zehnerpackungen Fè Taschentücher und dazu noch Babyfeuchttüchern (wenn die Nase rau wird) eindecke. Mittlerweile ist aus meinen hypochondrisch eingebildeten Mini-Schnupfen ein wahrer Rotzwasserfall geworden. Also gut, eingedeckt und so schneuze ich mich erst einmal um darauf festzustellen, dass ich immer noch ein gutes Zielvermögen habe. Die nächsten fünf Minuten beschäftige ich mich damit, angerotzte Taschentücher aus jeglich erdenklichen Winkel meines Zimmers in den Mülleimer zu werfen. Na gut, die Taschentuchversorgung ist nun gewährleistet. Sicherheitshalber hole ich mir noch eine 1,5 Liter Mineralwasserflasche (wenn die 2 Liter Eistee nicht genügen). Noch schnell meinen Mail-Account gecheckt, aha, mein Cousin aus Übersee hat geschrieben und dazu noch eine gute Bekannte. Dann muss der Reader noch ein Wenig warten, es wäre unhöflich Mails nicht zu lesen und anschließend zu beantworten und immerhin wurde ich ja zu einem höflichen Menschen erzogen.
Gesagt, getan, erledigt. Nun sitze ich von Angesicht zu Angesicht vor diesem PR-Reader. Ich wage noch nicht ihn zu öffnen. Gerade in diesem Augenblick, der PR Bedrohung ins Auge sehend entschließe ich mich nun doch mich bei meiner Ex zu entschuldigen (Sie wissen schon, für Dinge die ich nie getan habe). Nachdem ich nicht weiß für was ich mich eigentlich entschuldigen soll halte ich das ganze Gespräch recht generell und hoffe ihr fällt nicht auf, dass ich so nur die Zeit totschlage und eigentlich gar nicht wirklich an einem Gespräch mit ihr interessiert bin (wenn sie diese Zeilen liest weiß ich nun sogar für was ich mich wirklich entschuldigen muss, Heuchler der ich beizeiten bin). Doch auch dieses Unterfangen wird gemeistert und es ergibt sich doch noch eine nette Konversation in deren Verlauf wir einmal mehr feststellen, wie gut wir doch harmoniert hatten und wie blöd es doch von mir gewesen war, von einem Tag auf den anderen ohne Angabe von Gründen Schluss zu machen (dafür hatte ich mich ja schon längst entschuldigt). Man verabredet sich also wieder einmal etwas trinken zu gehen und verbleibt mit den freundlichsten Grüßen.
Jetzt gibt es keine Ausflüchte mehr, der PR-Reader starrt mich an, lechzend, bedrohlich, gefährlich und bereit sämtliche Gehirnwindungen, Synapsen und Neuronen meines Körpers ausser Kontrolle zu bringen. Ich schlage die erste Seite auf. Was war das, höre ich da meinen Bruder der soeben nach Hause gekommen ist. Na, dem muss ich schon begüßen, ein kleiner Small-Talk unter Brüdern schadet ja nie. Ich eile hinaus und es entspringt eine kurze Diskussion über die Party des letzten Wochenendes. Danach vergleichen wir noch die Fernsehprogramme des heutigen Abends und jeder zieht wieder seine Wege (bzw. sucht sein Zimmer auf).
Aber jetzt werde ich wirklich lernen, die erste Seite ist ja schon aufgeschlagen. Ich beginne zu lesen doch es ist viel zu ruhig hier - bei so einer Stille kann doch keiner lernen. Doch auch dies hält mich nicht auf. Die volle mediale Dröhnung - ich schalte das Fernsehgerät ein und dazu schmeiße ich noch eine Ska-CD in den Player. Laute Musik ertönt und natürlich muss ich jetzt erst einmal fünf Minuten im Zimmer herumspringen und mit dem Kopf nicken. Das gehört sich so.
Ich gebe es auf, ich werde heute nichts mehr lernen. Es ist nun auch schon viel zu spät dazu, ich wäre ja auch gar nicht mehr Aufnahmefähig. Aber ich verspreche mir: morgen ganz bestimmt, natürlich erst nach einer kleinen Aufwärmrunde - versteht sich doch von selbst

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