Aber dies sollte jetzt gar keine Systemkritik werden, dies mag anderen überlassen werden. Was mich nun interessiert ist eine Beschreibung "der Reichen" - was macht sie aus bzw. nicht aus, was sind ihre Probleme bzw. Nicht-Probleme? Grundsätzlich gesehen, auch ein reicher Mensch kann zu Beginn nichts dafür reich zu sein. In der Regel wird man reich geboren (z. B. haben 95 % der 100 reichsten Österreicher ihr Vermögen nicht selbst verdient sondern vorhandenes Vermögen vermehrt) - Reichtum ist also ein Stigmata der Geburt. Insofern sollte man reichen Menschen zu Beginn ihres Lebens ihren Reichtum keinesfalls als Makel ansehen - sie können nichts dafür. Aber wie geht es weiter mit den Reichen, wie entwickeln sie sich.
Der typische Reiche ist ein Taugenichts, er ist kein Taugenichts per-se, er wird zu ihm gemacht. Wie sollte der Nachwuchsreiche auch anders handeln, ist er doch nur Sohn oder Tochter eines anderen Reichen? So richtig in Erscheinung tritt der Nachwuchs-Reiche jedoch erst zu Ende seiner Jugendzeit bzw. zu Beginn seiner Lebensphase als junger Erwachsener. Zu diesem Zeitpunkt hat die Ideologie des Reichtums den reich geborenen Menschen voll erfasst, endlich wird er nicht nur verachtet oder belächelt wegen seiner kapitalstärke sondern kann dieses Vermögen für sich und seine Zwecke nutzen. So wird aus der grauen (reichen) Maus die nie jemand beachtet hat (schon gar nicht die wirklich coolen Kids) innerhalb weniger Monate ein aufrender, ein interessanter Mensch oder aus dem schüchternen (reichen) Nebentischsitzer auf einmal ein charismatischer und wortgewaltiger Leader-Typ. Wie sie dies anstellen - man kauft sich ein Image. Ein Image kann man kaufen? Ja klar, was meinen Sie denn, das geht sogar ganz leicht wenn man es sich leisten kann. Dies fängt mit der Veränderung der Kleidung bzw. anderer Aussehensmerkmale an (diese Dinge nennt man auch gerne Artefakte in der interpersonellen Kommunikation) und hört mit wirklich interessanten Stories auf (Beispiele hierfür sind in erster Linie teure Reisen oder eben Dinge und Locations die dem normalsterblichen in der Regel verschlossen bleiben). So kombiniert der reiche Mensch in gekonnter Selbstdarstellung neue Einflüsse und Stories um endlich auch dazuzugehören oder eben nicht nur dazuzugehören sondern Mittelpunkt des Geschehens zu sein. Um noch einmal auf das Thema der Selbstdarstellung exkursiv zurückzukommen: reiche Menschen "produzieren" nichts, sie leben und vermehren ihr Vermögen mittels Selbstdarstellung - und der "normale" Mensch zahlt für dieses Schauspiel begierig, voyeuristisch und gänzlich gedankenlos die Gage.
Aber entschuldigen Sie, ich schweife ja schon wieder ab. Wo waren wir? Ja, ich weiß es wieder. Die Phase der Reichen in der sie einigermaßen von den anderen Subkulturen der Gesellschaft akzeptiert werden. Ich bezeichne hier die reichen Menschen ganz bewusst als Subkultur denn warum sollte dieser oftmals negativ beladene Ausdruck nur für arme Menschen oder soziale Boarderliner gelten? Diese Phase, diese glückliche Zeit im Leben der Reichen, dürfte mit der Volljährigkeit beginnen und mit dem Erreichen des 28. Geburtstages enden. Es ist eine Zeit des Ausbruchs für den reichen Menschen, er darf (ja, auch das Wort dürfen wurde bewusst gewählt) endlich seinen Elfenbeinturm verlassen und die Welt beschnuppern. Er verlässt seine Plastik-Pop Welt und sieht endlich und vielleicht zum ersten und letzten Male die richtige Welt abseits von halbschwulen Parties und gedankenlosen Small-Talk. Im krassen Gegensatz zu seinem Glück steht die Produktivität der reichen Menschen in dieser Zeit - sie ist bedenklich niedrig zumahl der reiche Mensch ja mit der Erkundung der wahren Welt, seien es nun fremde Länder oder einfach ein fremdes Viertel seiner Heimat, beschäftigt ist. Doch der Reichtum erlaubt ihm dies doch wie so oft, auch der Reichtum wird seine Opfer fordern. Selbst der Reiche ist den Gesetzen der Welt untergeordnet die nun einmal besagt, es kann nichts genommen werden ohne etwas zu geben (wobei das Ausmaß des Nehmens des reichen Menschens das Ausmaß des Gebens des Reichen in jeder Lebenlage unverhältnismäßig überwiegt).
Dieser Tribut beginnt schon zu Ende des glücklichen Lebens der reichen Mitmenschen. Es wird vonseiten der subkulturalen immer stärker eine Gegenleistung für eine jahrelange Unterstützung gefordert. Dies ist nun der wohl interessanteste Aspekt im Leben eines reichen Menschens für einen Aussenstehenden. Es ist diejenige Zeit in der das System des Reichtums (und nun habe ich doch das System erneut erwähnt) sich reproduzieren muss. Denn was viele junge reiche Menschen nicht wissen, auch ihre Eltern waren Taugenichtse und wurden erst mit dem Alter von 26 bis 30 Jahren zu klassischen "Leistungsträgern". Ein Aussteigen aus der Gesellschaft des Reichtums zu diesem Zeitpunkt ist kaum mehr möglich, zu groß sind die Schulden die der Einzelne dem System des Reichtums schuldet. Die Schulden am ein System das sich für den Erhalt und der Legitimation stetig reproduzieren muss - sprich: sich mit neuen "Selbstdarstellern" erneuern muss um in der jeweiligen Form weiterbestehen zu können.
Die Folgen hiervon sind oftmals ein starker innerer Kampf des Reichen (der oftmals in seiner glücklichen Zeit zu einem ungezwungenen und offenen Menschen wurde) - doch diesen Kampf verliert der Reiche. Systeme können bezwungen werden, aber dazu bedarf es großer Ausdauer, Integrität, Disziplin, Mut und Härte - alles Charaktereigenschaften die sich eher bei "armen" Menschen bilden (auch wenn der Begriff "arm" in unserer westlichen Gesellschaft vielleicht übertrieben ist). Aber warum sollte nicht auch ein reicher über diese zugegebenermaßen positiven Eigenschaften verfügen? Ich will nicht polemisieren und deshalb will ich meine subjektiven Begründungen hierzu angeben:
Ausdauer und Disziplin: sind Eigenschaften der Notwendigkeit um ein Ziel erreichen zu können - der Reiche muss diese Eigenschaften nicht entwickeln da er ja schon am Ziel ist (zumindest wenn man vom kapitalistischen System ausgeht)
Integrität: ist eine Eigenschaft die im engen Naheverhältnis zu Loyalität steht. Integrität wird durch eine innere Überzeugung oder durch äußere Umstände, die zu einer Verbesserung der aktuellen Situation führen sollen, erzeugt und verinnerlicht. Der Reich muss keine Integrität oder Loyalität aus einem inneren Antrieb an den Tag legen, seine einzig Loyalität ist eine erkaufte Loyalität dem System des Reichtums gegenüber den der Reiche nicht entfliehen kann und muss.
Mut: ergibt sich aus Risiken die ein Mensch im Laufe seines Lebens eingeht. Ein reicher Mensch kann durchaus Risiken eingehen, bei genauerer Betrachtung sind diese Risiken jedoch durch einen "Stammplatz auf der Reservebank" bzw. ein großes Vermögen abgesichert und können demnach nicht als mutig bezeichnet werden - der reiche Mensch startet und vollbringt seine Risiken immer im Schutze seiner Plastikwelt
Härte: ist eine Eigenschaft die sich aus der Sozialisation ergibt. Wer wie der reiche Mensch niemals um eine Sache, ein Ding oder eine Idee kämpfen musste wird auch niemals eine gerichtete Härte entwickeln können
Nun denn, behandeln wir noch die Phase des reichen Menschens von seiner Assimilierung in das System des Reichtums (nach seiner, wie ich sie genannt habe, glücklichen Lebensphase) bis zu seinem Tod. Diese Zeitspanne kann kurz erläutert werden. Der reiche Mensch wird sich nach und nach (nach anfänglichen Widerständen) mit dem herrschenden Establishment abfinden (das ja eigentlich das eigene Establishment, die eigene Subkultur ist), Träume und Ideale der glücklichen Lebensphase dem Altar des Vermögens opfern und schließlich und endlich durch eine Wiederholung des Prozesses der Reproduktion des Systems des Reichtums (durch eigene Kinder) die Spirale des Werdeganges dieses Systems fortsetzen.
Als Fazit nach diesem bewusst etwas negativ konnotierten Beschreibungsmodells bleibt festzuhalten: reiche Menschen erhalten in der Regel ihren Reichtum nicht durch eigene Verdienste, reiche Menschen sind genauso Zwängen ihrer jeweiligen Subkultur unterworfen wie "andere" Menschen (vielleicht in noch stärkerem Ausmaß) und müssen früher oder später genauso wie "andere" Menschen auch ihren Beitrag zur jeweiligen Systemerfüllung leisten (auch wenn dieser Beitrag mit Sicherheit um einiges leichter ist als wirkliche Arbeit).
Abschließen bleibt zu erwähnen: ich rede in diesem Artikel über wirklich reiche Menschen, es sollte sich keiner der nicht zu dieser Kategorie zählt wirklich tangiert fühlen. Bei genauer Betrachtung der Dimension von "echten" Reichtum erscheint nämlich auch ein leitender Angestellter im middle bis nearly top-management als "arm" - bei echten Reichtum geht es nicht darum, ob man nun € 2.000,-- oder € 5.000,-- im Monat verdient (der überwiegende Großteil der Bevölkerung muss übrigens mit weit weniger auskommen) sondern es geht um Beträge, die im Jahr zumindest die Million überschreiten sollte. Zur Illustration von wirklichen Reichtum und der derzeitigen Situation sollte man sich folgendes noch kurz durchlesen:
- Die reichsten 15 Milliardäre in Österreich besitzen zusammen ein Vermögen von 32,1 Mrd. Euro, das sind um mehr als eine Milliarde mehr als im Vorjahr. Dieser Ver- mögenszuwachs entspricht den zusammengelegten Jahreseinkommen von mehr als 500.000 ArbeiterInnen.
- Die 100 reichsten ÖsterreicherInnen sitzen auf einem (steuerbegünstigten) Vermögen von 50 Mrd. Euro. 10 Prozent der Menschen in Österreich besitzen mehr als die Hälfte des Privatvermögens, während die ärmeren 50 Prozent bescheidene 2-3 Prozent besitzen.
- Die Einkommensschere geht immer weiter auseinander. Das Einkommen der untersten 20 Prozent (730.000 Menschen) betrug im Jahr 2002 2,1 Mrd. Euro – ein Zuwachs seit 1997 um 4,2 Prozent – während die Einkommen der obersten 1 Prozent (36.700 Menschen) 5,5 Mrd. betrug, ein Zuwachs um 18,9 Prozent!
- Die obersten 5 Prozent beziehen ein Nettoeinkommen,das genauso groß ist wie das der unteren 45 Pro- zent.
- Eine Vermögenssteuer gibt es in Österreich nicht. Reiche können in Österreich ihr Vermögen in Privatstiftungen bei nur 12,5 Prozent Besteuerung parken, Dividenden daraus sind selbstverständlich zinsfrei. Zwischen 25 und 60 Mrd. Euro befinden sich in 2500 Privatstiftungen.
- Eine Million Menschen in Österreich ist von Armut bedroht. Besonders betroffen davon sind AlleinerzieherInnen (23%), Arbeitslose (23%) und alleinstehende PensionistInnen über 65 Jahre (35%).
- In den letzten Jahren gab es einen drastischen Anstieg der “working poor”:254.000 Menschen haben trotz Arbeit nicht genug zum Leben.
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