Und so kam es wie es kommen musste. Eine Hochzeit im Verwandtenkreis stand an und keine rettende Grippe war in der Nähe um mich vor dem Besucher derselben zu beschützen. So wie es immer ist mit diesen unzuverlässigen Grippen. Ja, wenn man sie nicht braucht, dann sind sie da. Man hat eine Verabredung mit dieser hübschen und dazu noch witzigen und intelligenten Frau… schon hat man 39 ° C Fieber, die Nase läuft wie sonst nur die Niagarafälle und man fühlt sich generell hundeelend. So hundeelend, dass selbst der Griff zum Mobiltelefon und die Absage des Treffens schier einem Marsch durch die Wüste Gobi gleicht. Doch nun, jetzt wo man sie brauchen könnte… ja, da ist sie nicht da, die Grippe. Die Grippe, sie wurde wohl von Gott oder sonst wem oder was erfunden um die Menschheit zu quälen und zu enttäuschen.
Doch wie dem auch sei. Nun gibt es kein Entrinnen mehr. Die Hochzeit naht und man muss tun, was man tun muss will man nicht von den Großeltern endgültig enterbt werden. Doch der Satiriker wird nicht unvorbereitet erscheinen. Die „richtige“ Einstellung ist der erste Weg, eine solche Veranstaltung unbeschadet zu überstehen. In diesem Sinne wird für einen selbst erst einmal abgeklärt, wie sehr man doch gegen Hochzeiten ist. Ist ja im Grunde genommen nichts anderes als ein Wirtschaftsvertrag, abgesegnet von einem Standesbeamten und einen religiösen Fanatiker. Und überhaupt ist der Mensch ja sowieso nicht geschaffen für ein Leben „bis das der Tod uns scheidet“. Ja, im Mittelalter war das vielleicht noch so. Da wurden die Menschen aber auch nicht viel älter als 30 Jahre… bei solch einer Lebenserwartung blieb fürwahr keine Zeit für Seitensprünge und der abfuckung einer Beziehung. Doch mit einer Lebenserwartung um die 80 Jahre? Na, da könnte es trist ausschauen. Vermerke: Ich geben denen maximal 7 Jahre bis zur Scheidung… sollten die dann eine Scheidungsparty feiern, hoffe ich doch, nicht eingeladen zu sein oder die Grippe zu haben.
Auch wenn ich das böse, dass ich nun über die Ehe gesagt habe selbst nicht unbedingt glaube hilft es dennoch eine gewisse Antistimmung aufzubauen. Ich bin ja dagegen gegen alles zu sein, aber diese Negativeinstellung der „Institution Ehe“ gegenüber dürfte es mir erlauben, später an den richtigen Stellen die richtigen witzig-satirischen bis geschmacklos-zynischen Kommentare meinen Verwandten zum Besten zu geben. Oder meint ihr etwa, dies würde von selbst funktionieren? Das Leben als Klugscheißer ist ein Fulltimejob!
Nachdem dies geklärt wurde, geht es an den nächsten Schritt des Marsches durch die Wüste. Der richtigen Anzugwahl. Eine schwere Sache für jemanden, der Anzüge schon von frühkindlichen Zeiten an verachtete und eher ein Freund des Jeans, T-Shirt, Turnschuh Sortiments ist. Doch nichtsdestotrotz gibt es auch hier eine Standartanleitung. Schwarzer Anzug, weißes Hemd, Krawatte… als Ausgleich werden die Haare so gekämmt, dass sie Aussehen, als wären sie nicht gekämmt worden. Wenn einem der Dresscode schon zum Pinguin machen will, dann sollte man zumindest einen kleinen Rest an Würde bewahren.
Doch stellt mich die einfache Anzug-Hemd-Krawatte-Gleichung vor ein vorerst schier unlösbares Problem. Wer erst mit 8 Jahren lernte sich die Schuhbänder selbständig zu binden schafft es mit knapp 22 Jahren sicher nicht sich eine Krawatte zu binden. Nachdem ich aber auf meinem „mir-braucht-keiner-helfen“ Trip bin, strenge ich einfach mein photographisches Gedächtnis (ein sehr praktisches Geschenk des Schicksals, welches meinen Lernaufwand vor Prüfungen auf ein Minimum beschränkt) an und entsinne mich, wie so eine Krawattenknoten wohl aussehen könnte und gesagt getan… nach einiger Zeit habe ich einen Knoten in der Krawatte, fest zugezogen, so das er kaum gelöst werden kann und natürlich vollkommen daneben aussieht. Da die Auswahl an Krawatten jedoch begrenzt ist und alle anderen Krawatten hässlicher als mein verbrochener Knoten ist, lege ich das Ding trotzdem um den Hals wie eine Schlinge. Dazu pfeife ich die bekannte Melodie aus „Spiel mir das Lied vom Tod“…
Bevor es nun aber in die Kirche geht, denn immerhin heiraten zwei echte Katholen, fehlt noch der letzte Teil der Vorbereitung. Um von all der in der Luft schwebenden Romantik oder Langeweile bzw. üblen Weihrauchgerüchen nicht übermannt zu werden, bedarf es einer akustischen Impfung. Zu „Smashing Pumpkins“ Klängen, eigentlich dramatisch genug, werden dramatische Leidensgrimassen geschnitten und, da man gerade mal als Pinguin verkleidet ist, noch ein paar James Bond Posen vor dem Spiegel nachgestellt. So stellt man fest, dass vor dem Hintergrund des folgenden sogar an und für sich nicht wirklich gemochte Musik gar nicht so übel ist.
Doch nun befindet man sich in der Kirche. Als Illegaler fühle ich mich sogar ein Wenig wie ein Rebell. Ich zahle keine Kirchensteuern, bin aber trotzdem drinnen. Andererseits… ein Kinobesuch ohne Eintritt zu zahlen wäre reizvoller. Doch auch dieses Martyrium geht vorbei und so habe ich endlich einmal nichts Besseres zu tun und spiele eines dieser langweiligen Handygames, die mich ansonsten nicht weiter tangieren.
Wie dem nun auch sei… die Hochzeitsglocken läuten und so schließen zwei weitere Menschlein die Handschellen fürs Leben. Der Vollständigkeit halber kann noch angemerkt werden, dass neben den Hochzeitsglocken im tagtäglichen Sprachgebrauch eigentlich nur die Todesglocken läuten (wenn man solche Sachen wie Osterglocken, die ja saisonal bedingt sind, nicht berücksichtigt). Eine etwas merkwürdige Analogie, aber sie sollte nicht unerwähnt bleiben.
Für gewöhnlich wären Hochzeiten, sollte man allgemeinen Klischees Glauben schenken, ja hervorragend dazu geeignet die meist vorhandene romantische Stimmung der weiblichen Besucherinnen für die eigenen, niederen Zwecke zu missbrauchen. Doch vor dem Hintergrund, dass ich den Großteil der anwesenden Verwandtschaft gar nicht kenne, mir aber sicher bin, dass die sicher mindestens die Hälfte der Gesamtanwesenden ausmachen, beschränke ich mich darauf das Gratisbier zu trinken. Man könnte meinen, dass Gratisgetränke entschädigen… aber… andererseits… Bier ist nicht so teuer – ich würde liebend gerne dafür bezahlen und mir diese Veranstaltung dafür ersparen.
Doch auch die langweiligste Veranstaltung geht vorüber. Ich wurde nicht enterbt. Und für die Zukunft überlege ich mir einfach echt gute Ausreden. „Tut mir leid, ich bin zu dieser Zeit Entwicklungshelfer in Afrika“ wäre hierbei wohl wirklich angebracht.
gracias por estar ahì
Miguel de Cervantes
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