Mittwoch, September 20, 2006

Patriotenmärchen

Zugegeben, das Thema Patriotismus ist für mich eigentlich kein großes Thema an sich. Mein Patriotismus beschränkt sich auf das Minimum, dass ich österreichisches Bier und die Erfolge des österreichischen Schiteams mag. Ich sehe mich selbst mehr als Europäer als als Österreicher. Aber gerade in Zeiten des Wahlkampfes kommt dieses, für mich eigentlich nur rudimentär interessante Thema, dennoch wieder aus einem undefinierbaren Loch.


Doch drehen wir die Zeit ein Wenig zurück. Ende der 90er Jahre war das Patriotismus-Thema eher dahingehend besetzt, dass sich beinahe so etwas wie eine europäische Identität im Lande breit machte. Trotz aller negativen Aspekte der EU schien mir dies vernünftig zu sein. Denn es wäre sicher einfacher und besser, im Verbund mit all den anderen (damals noch 15) EU-Staaten, Punkte zu finden, auf die man stolz sein könnte.

Dann kam aber die "Wende"regierung und die lächerlichen "EU-Sanktionen", wie sie fortan genannt wurden. Sanktionen sehen anders aus, was zu dieser Zeit stattfand, war nichts anderes als Kinderkram, der auf europäischer Ebene lächerlich war, auf österreichischer Ebene jedoch innenpolitisch ausgeschlachtet wurde. Auf einmal war man in der Situation, dass man entweder ein Patriot zu sein hatte, damit einhergehend die Regierung gegen die "bösen EU-14" zu unterstützen hätte... oder ansonsten ein "Österreich-Vernaderer" sei. Frei nach dem, sicherlich hier etwas überspitzten, Mottos: "Und willst du nicht mein Bruder sein, so schlag ich dir den Schädel ein!"

Während also auf einmal der Österreich-Patriotismus, durch das bewusst geprägte Feindbild "EU-14", geschürt wurde, wurde und wird damit einhergehend eine Politik forciert, die dem Land bei weitem mehr schadete, als es "nicht mehr ganz so amikale Kontakte" zu den anderen EU-Mitgliedsstaaten jemals machen hätten können. Wären damals "wahre" Patrioten an der Spitze der Regierung gestanden, so hätten sie dieses lächerliche Theater im Keim erstickt (was kein Problem gewesen wäre; auch die EU an sich hätte wichtigere Dinge zu regeln gehabt), als sie innenpolitisch auszuschlachten.

Doch der "Österreich-Patriotismus" hielt sich seitdem, mal latent, mal offensichtlich, in den Köpfen der Bürger manifestiert. Auch heute noch werden Kritiker gerne einmal als "Vernaderer" diffamiert. Etwa die Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek. Ein "wahrer" Patriot hätte sich gefreut, dass Österreich eine Literaturnobelpreisträgerin "vorzuzeigen" hätte... Frau Jelineks Auszeichnung wurde im Land von den "Patriotismuswächtern" jedoch dadurch geschmäht, da "sie die Auszeichnung nur durch ihre Österreich-Vernaderung erhalten hätte". Was hier und bei anderen Fällen passierte waren und sind dreckige Geschichten, die durch einen "Scheinpatriotismus" nur dazu dienten, politisches Kleingeld zu machen. Das alte Spiel von der Schaffung eines "gemeinsamen Feindes" um Fehler im "Inneren" zu verstecken.

Besonders seltsame Blüten treibt die "Patriotismusschwemme" im diesjährigen Wahlkampf. So geben sich die blau-orange-braunen Rülpser als die ultimativen Österreich-Patrioten. Sie sind glühende Österreicher? Dass ich nicht lache! Die blau-braunen-Rülpser, das dritte oder deutsch-nationale Lager wird nicht umsonst als "deutsch-nationales" Lager bezeichnet. Da sie sich NICHT ALS ÖSTERREICHER SONDERN ALS DEUTSCHE sehen. Jene Politiker und Funktionäre dieser Rülpserparteien rekrutieren sich nicht umsonst oftmals aus schlagenden Burschenschaftern oder anderen Menschen mit einer ohnehin fragwürdigen Ideologie. Wenn also Menschen, die sich als DEUTSCHE sehen, auf einmal die wahren PATRIOTEN ÖSTERREICHS sein würden... dann kann man nur darauf verzichten, Teil dieses Patiotismussystems, geprägt von Verlogenheit und Futterneid, zu sein!

Es bleibt jedem unbenommen, ein Patriot, eine Patriotin zu sein. Wer sich damit wohl fühlt, der soll es sein. Wenn es sich dabei um einen "vernünftigen" Patriotismus, fernab von Propaganda-Mobilisierung, handelt, dann kann dies durchaus auch gut sein. Doch bei dieser Art von Patriotismus, die in diesem Land stattfindet, drehe ich mich lieber weg.

gracias por estar ahì

Miguel de Cervantes

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