Donnerstag, September 21, 2006

Zivildienstpapierkrieg

Wie ich ja schon des öfteren anklingen ließ, befinde ich mich in der illustren Runde jener österreichischen Männer, die dem Erziehungsheim Bundesheer durch den Wehrersatzdienst, oder aber auch Zivildienst, umgangen sind. Die offizielle Begründung, schon vorgedruckt am Formular, dass mir ein freundlicher 50jähriger Leutnant mit Alkoholfahne damals bei der "Stellung" überreichte, war, dass ich keinen Bock auf Waffen hätte. Natürlich stand das nicht so direkt oben, es wurde eben mit ein bisschen "moralischen Problemen mit dem Waffengebrauch" umschrieben. Stimmte ja gar nicht - ich habe kein Problem mit Waffen, die sind mir egal. Mein einziges "Problem" damals war, dass ich das gesamte österreichische Bundesheer mitsamt der Wehrpflicht als sinnlose Erziehungsanstalt für junge Erwachsene hielt. Sozusgen die letzte Möglichkeit des Staates, um einem noch einmal alle revolutionären und kritischen Flausen austreiben zu können.

Nun ja, ich absolvierte also den Zivildienst, nun auch schon einige Jahre her. Dauerte damals noch 12 Monate, im Gegensatz zu den 8 Monaten (oftmals auch nur 7) beim österreichischen Bundesheer. Aber was macht man nicht alles, um zumindest einen kleinen Rest an persönlicher Würde und Freiheit zu bewahren?

Nun denn, 12 Monate zogen ins Lande, die ich, oftmals 60 Stunden die Woche, zubrachte, den Kasperl für alte und pflegebedürftige Menschen zu spielen oder den Arbeitssklaven für die "regulären" Bediensteten des Seniorenheimes darzustellen. Das klingt jetzt wahrscheinlich unwitziger, als es im Endeffekt wirklich war. Doch wie gesagt, die 12 Monate zogen vorbei und damit wurde auch ich wieder vom Zwangsarbeiter zum Staatsbürger erklärt. Ich bekam sogar so etwas wie ein Dienstzeugnis - doch leider ohne Schärpe.

Der Zivildienst rückte in weite Ferne doch durch ein Erkenntnis des Verfassungsgerichthofes wurde ich doch wieder mit meinem Zwangsarbeitertum konfrontiert. Viele meiner Kollegen hatten es hinter vorgehaltener Hand gemunkelt, bei einigen ergab sich schon während der Dienstzeit der grobe Verdacht... "wir werden hier gewaltig beschissen!"

Meine Kollegen und ich sahen dieses "beschissen-werden" vor allem darin, dass sämtliche Arbeitsrechte, die überall sonst gelten, für uns nicht galten. Nachtarbeit und Wochenendarbeit wurden vollständig "normal" gerechnet, Zeiten von verpflichtenden Dienstbesprechungen wurden uns nicht auf unsere Arbeitszeit angerechnet, es gab Probleme bei der Inanspruchname der 10 Urlaubstage die einem Zivildiener zustanden, es gab Probleme, wenn man einen wichtigen Termin, der in die Dienstzeit fiel, hatte... eben das volle Programm wegen dem ich mir mindestens einmal die Woche, als alter Gewerkschafter, Schreiduelle mit der Leitung der Einrichtung lieferte. Es war eben mühsam, wenn man mit der Realität als rechtloser Zwangsarbeiter konfrontiert wurde.

Des Weiteren war die Bezahlung einfach mieser als man es annehmen konnte. Und dies fiel sogar dem Verfassungsgerichtshof in einem letztjährigen Entscheid auf. Er entschied, dass die Entschädigung fiel zu gering ausgefallen war, das zuständige Gesetz (verabschiedet von Schüssel und Co.) nicht konform wäre und dass den ehemaligen und aktiven Zivildienern, gemäß dem Spruch des VfGh, diese Ungesetzlichkeit abgegolten werden müsste.

Nun kann man annehmen, dass dies der Republik Österreich peinlich gewesen wäre. Die Republik beschiss junge Leute, die 12 Monate lang oftmals mehr Arbeitsstunden als "normale" Arbeiter abzuleisten hatten, die nur 2 Wochen Urlaubsanspruch hatten und im Durchschnitt mit einer Entschädigung von 200 - 300 EURO auskommen mussten. Ja, man könnte meinen, dass dies der Republik und den zuständigen Politikern peinlich gewesen wäre. War es aber nicht.

Einhellig beschlossen die Regierungsparteien, aber auch die Oppositionsparteien, ein Procedere, dass, anstatt den "Geschädigten" zu entschädigen, dafür sorgte, dass den "Geschädigten", die kaum informiert wurden und werden, ein wahrer Papierkrieg bevorsteht. Mittlerweile schickte ich schon einige Formulare ab, lehnte einige faule Kompromisse ab (50 % der fälligen Entschädigungszahlung bei gleichzeitigem Verzicht auf sämtliche, rechtliche Ansprüche)... Es ergibt eben die Optik, dass das "beschissen-werden" kaltschnäuzig fortgesetzt wird. Vielen Dank an die ÖVP und die Blau-Orange-Braunen Rülpsern für ein Gesetz, dass vom Verfassungsgerichtshof mehr als zurecht aufgehoben wurde. Vielen Dank an die ÖVP, die Blau-Orange-Braunen Rülpser, die SPÖ und die Grünen, für ein Procedere, dass dazu dient, dass viele "Geschädigte", ob der Kompliziertheit, frustriert darauf verzichten, ihre gesetzlichen Ansprüche geltend zu machen oder sich gerade im Papierkrieg mit der Zivildienstserviceagentur und den jeweiligen Rechtsträgern befinden. Ist dies eine Art "Ersatzkrieg" als Kompensation zum nicht abgeleisteten Wehrdienst? Wer weiß, wenigstens die österreichische Post AG profitiert durch Unmengen an eingeschriebenen Briefen die verschickt werden müssen.

gracias por estar ahì

Miguel de Cervantes

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