Mittwoch, Dezember 27, 2006

Die Invasion der Norweger

Was vom Weihnachtsfest im Endeffekt übrig bleibt, wenn sich die Stürme des allweihnachtlichen Chaos gelegt haben, sind für gewöhnlich die Weihnachtsgeschenke. Ich weiß, es gibt das Sprichwort "Einen geschenkten Gaul, schaut man nichts ins Maul!". Wodurch ich ja insofern froh sein kann, da ich keine Gäule geschenkt bekomme, wo ich doch Pferde, aus welchen Gründen auch immer, nicht leiden kann. Sie haben mir nichts getan, aber ich mag sie trotzdem nicht. Ähnlich verhält es sich ja mit den Zeugen Jehovas.

Doch die Hälfte meiner Großeltern (es gibt ja vier davon) schafft es doch immer wieder, mich mit ihren Weihnachtsgeschenken nicht zu überraschen. Da wäre zum Einen das kleinere Übel. Die obligatorische Ledergeldtasche, die allweihnachtlich unter dem Christbaum liegt. Hier heißt es gute Miene zum bösen Spiel zu machen und Begeisterung vorzutäuschen... Frauen können vielleicht Orgasmen vortäuschen - ich kann dafür Freude über Weihnachtsgeschenke vorheucheln, wie kein zweiter Mensch auf dieser Erde.

O-Ton meiner selbst, während ich theatralisch mein mindestens 10 Jahre altes Geldtascherl aus der Hose hervorziehe, welches nur mehr durch Heftklammern zusammengehalten wird und dass ich doch so gerne mag: "Boah, woher hast du gewusst, dass ich DRINGEND ein neues Geldtascherl brauchte. Sieh mal, wie räudig meines schon ist. Ein SUUUPER Geschenk!" Sobald ich wieder zu Hause bin, wandert es zu den anderen Brüdern und Schwestern, die ich nie benutze. Ein Dutzend dürften es mittlerweile schon sein - denn mein altes Geldtascherl würde ich für nichts und niemandem betrügen. Hierbei sieht man wieder, wie loyal ich eigentlich sein kann.

Der zweite Fixbestandteil ist der alljährliche Norweger-Pulli. Wenn ich von mir behaupte, mehr Stumpfsinn als Robert Seeger (der Norweger-Pulli-Träger der Nation) von mir geben kann, so ist dies nicht gelogen. Aussehen will ich aber trotzdem nicht wie er. Da hilft auch das alljährliche Gschichtl meines Großvaters nichts, der mir wieder und wieder einreden will, wie toll so ein Norweger-Pulli doch sei. Denn immerhin waren sie ja soooooo modern, als er noch jung war. Mittlerweile ist er beinahe achtzig - muss ich noch mehr sagen, oder genügt dieser Hinweis auf die Style-Relevanz meines Großvaters?

Und so wird auch beim Norweger-Pulli "wahre" Freude vorgeheuchelt, was ungleich schwerer ist, als es bei einem praktischen Geschenk, wie es ein Geldtascherl an und für sich wäre. "Ja, der ist schon schön. Und sicher total warm. Grad jetzt, im Winter. Kann ich sicher gut brauchen!" Klingt das überzeugend? Nun ja, zumindest mit einem vorgetäuschten Dauerlächeln kommt man mit diesem Text davon. Und zuhause landet der Norweger-Pulli sowieso dort, wo er sich wirklich wohl fühlen wird. Bei seinen Artgenossen, die ich nie getragen hatte.

Was lernt man hieraus? Geldgeschenke oder Gutscheine sind vielleicht unpersönlich - dafür landen sie aber auch nicht dort, wo die Sonne nie scheint. Aber wer weiß... vielleicht steige ich ja mal ins Norweger-Pulli und Geldtascherl Gewerbe ein - denn diese Dinge habe ich nun wirklich in Massen.

gracias por estar ahì

Miguel de Cervantes

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