Dienstag, Jänner 30, 2007

Buchinger und der Zaubertrank

Abseits von widerlichen, verurteilungswerten und mehr als empörenden blau-braunen "Paintball-Spielen" mit Schlagstöcken , Neo-Nazis (wann wird Österreich endlich von dieser Pest verschont werden?) und "Kühnen-Gruß", sowie den verharmlosenden Umgang mit der Thematik, scheint die österreichische Innenpolitik vor allem durch ein großes Thema bestimmt zu sein - gähnende Leere.

Überall? Nein, ein unbeugsamer Minister eines kleinen Ressorts leistet Widerstand gegen die Übermacht der Leere und bekämpft sie tapfer. Sein Zaubertrank? Nennen wir sie Public Relations oder Öffentlichkeitsarbeit.

Die Rede ist von Erwin Buchingers. Den selbsternannten "ex-Mr. Arbeit" von Salzburg und nunmehrig selbsternannten "Mr. Sozial" von Österreich. Auf die "Mister"-Bezeichnung scheint er zu stehen, der Erwin. Doch wen wundert es, ist die Titelgeilheit, Ephraim Kishon bezeichnete es als Titelwalzer, in Österreich doch ein allgemein verbreiterter Virus, welches auch den Schreiberling dieser Zeilen Tag für Tag mehr erfasst. Da stört es auch nicht, dass "Mister", im Gegensatz zu "Doktor", "Magister" oder "Bachelor", gar kein Titel ist. Bis ich mir Letzteren in naher Zukunft hinter den Namen heften kann, ziehe ich es vor, mit "Herr Bloggerialrat" angesprochen zu werden. Soviel Zeit muss sein!

Erwin Buchingers Sozialressort ist nach der Regierungsbildung das, was man als pervertiert verkleinert bezeichnen könnte. Mit der "Abwanderung" der Familien-Agenden, und damit des großen Topfes des Familienlastenausgleichsfonds, stellt dieses Ministerium, mit Blick auf Kompetenzen und finanziellen Möglichkeiten, nur noch ein Gerippe dessen dar, was ein Sozialministerium sein könnte oder müsste. Doch diesen Mangel an Agenden und (finanzieller) Macht versucht Buchinger durch gezielte Public Relations zu vermindern. Ein Beispiel ist etwa die "EURO 5.000,-- Spenden Haar-ab-Aktion".

Diese Aktion mag vielleicht lächerlich erscheinen. Auf den ersten Blick. Aber sie schafft Aufmerksamkeit für die Person Erwin Buchinger. Und durch jene Aufmerksamkeit, die ihm eingeräumt wird, kann er die Mankos der Strukturen seines Rudimentär-Ressorts, zumindest zum Teil, ausgleichen. Vorausgesetzt er versteht es, auf der Klaviatur der öffentlichen Meinung zu spielen.

So wäre sein Vorschlag zur Wiedereinführung einer Vermögenssteuer (in ohnehin mickrigen Prozentchenbereichen) sicherlich im derzeitigen, blau-braunen, HC-Wahnsinn untergegangen. Doch dadurch, dass Buchinger es immer wieder versteht, seine Person in die öffentliche Wahrnehmung zu bringen, wurde sein Anliegen zumindest erwähnt und auch diskutiert. Ich wage zu behaupten, dass ein "unbunter" Minister wie der kreuzbrave Ex-Zivi Darabos diesen Vorschlag nicht medienwirksam unterbreiten hätte können. Zu Norbert Darabos kann ich mir folgende Anmerkung nicht verwehren. In Zeiten, wo Parteiobmänner im Wald Krieg spielen, in Zeiten, wo ein Minister wirklich oder vermeintlich auf das Bild eines andere (ex)Ministers schießt können wir uns eigentlich nur freuen, dass mit Norbert Darabos ein Mann Verteidungsminister ist, der als ex-Zivi keinerlei Vorlieben für Waffen und Schießübungen zu hegen scheint.

Aber zurück zu Buchingers Vermögenssteuer: Natürlich kam sofort ein reflexartiges "Nein" von Finanzminister und neo-ÖVP-Obmann Molterer. Dieser Mann weiß, was er seiner Klientel schuldig ist. Doch wenn Buchinger in dieser Frage nicht lockerlässt, wird aus der Thematik "Vermögenssteuer" über kurz oder lang eine Diskussion entstehen müssen. Ganz einfach aus einem Grund: Österreich ist ein Land, welches Arbeit, also Leistung, in hohem Maß besteuert. Während hingegen Vermögen durch großzügige Regelungen kaum einer gerechten Bersteuerung unterliegt. Hier herrscht eine eklatante Schieflage, die einen Lebensunterhalt durch Arbeit oder Leistung gegenüber einem Lebensunterhalt durch Besitz oder Kapital massiv benachteiligt. Sollte, durch öffentlichkeitswirksame Berichterstattung, ein Bewusstsein in dieser Richtung gebildet werden, so werden manche Politiker nicht umhin kommen, sich zumindest unbequemen Fragen stellen zu müssen.

Ob die Taktik "Haare-ab" als Eigen-PR dazu genügen wird, kann bezweifelt werden. Aber diese Aktion stellt eine unkonventionelle Maßnahme dar, um Aufmerksamkeit zu schaffen. In Zukunft wird sich Buchinger jedoch sicherlich schlauere PR-Taktiken überlegen müssen, sollte er ein ähnliches Interesse an seiner Person und seinen Vorstellungen erzeugen wollen. Denn: Einmal Haarverlust durch Spendengelder mag lustig sein, auf die Dauer würde es peinlich werden. Des Weiteren wachsen Haare (auch Barthaare) nicht über Nacht nach.

gracias por estar ahì

Miguel de Cervantes

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Werter Herr Bloggerialrat!
Nutze gleich den Titel! ;)

Buchinger halte ich neben der Kdolsky zu den buntesten gestalten in der Regierung, jetzt wo der KHG nicht mehr ist. Tja, die Titelsucht ist in Österreich tatsächlich virulent und befällt auch den Buchinger. Den Titel Mister bzw. Miss hat der Molterer allerdings schon für seine ganze Regierungsmannschaft beansprucht. Mr. Standort Bartenstein sei als Beispiel genannt.
Ob mit Wolfgang Petry-Look oder nicht glaube ich dass es mit Buchinger sicher spannend wird in der Regierung. Und seine PR-Maschinerie läuft wirklich auf Touren. Ich würde für ihn mal den Titel Mr. Ungewöhnlich vorschlagen. nicht nur wegen seines Aussehen. Man denke an den jetzigen Klubobmann der ÖVP dessen aussehen als Minister auch sehr von den anderen unterschied.
Ehrlich, ein Minister der gern Sex and the City schaut, Simpsonfan ist und Maschin fährt dem werden noch mehr Sachen einfallen, als Haarpracht und Schnauzer zu verkaufen.
Hahn, ist als Bartträger nicht auf diese Masche eingestiegen. Aber wird es Molterer wagen, immerhin sind er und Buchinger gebürtige Oberösterreicher.

Miguel de Cervantes hat gesagt…

Ja, Buchinger ist wirklich ein unkonventioneller Typ. Davon konnte ich mich, durch Zufall, auch persönlich überzeugen. Wenn er das "unkonventionelle" gezielt nach außen tragen kann, ist es auch möglich, dass er seine Vorschläge bzw. Ideen durchsetzen kann.
Mit Politik lässt sich an und für sich nur wenig verändern. Zu sehr werden die Geschicke durch Konzerne oder deren Lobbyisten geprägt - was ja eigentlich auch Politik ist, nur halt nicht demokratisch legitimiert. Aber wenn man es versteht, die Aufmerksamkeit einer breiten Öffentlichkeit zu erlangen, dann kann, auch in derzeitigen Machtstrukturen, ein kleiner Ruck geraten. Man sollte sich nicht zu viel davon erwarten, aber wenn es Buchinger schafft, ein besseres Sozialbewusstsein in der Öffentlichkeit mit zu schaffen, dann war er als Minister erfolgreich.

saludos

Anonym hat gesagt…

Ich glaube, wir sollen mal ihn und die anderen Arbeiten lassen, bevor man Lorbeeren und Tadel verteilt!
Lg