Donnerstag, Dezember 29, 2005

Der Laberkopf

Mir passieren oftmals nicht nur skurille Dinge, ich treffe zeitweise auch skurille Menschen. Darf ich vorstellen: Der Laberkopf. Der Laberkopf, eine besonders kontaktfreudige Untergattung des Tieres Mensch. Sehr kommunikativ... obwohl, eigentlich doch nicht. Es sei denn, man bezeichnet eine Einwegkommunikation als wirklich gelungene Kommunikation.

Das Problem des Laberkopfes ist es, dass er sich halt einfach zu gerne selbst sprechen hört. Aber fürwahr, Laberköpfe können beizeiten ja wirklich interessante Geschichten erzählen... oder zumindest erzählen sie halt Geschichten.

"Na, schon ewig nicht mehr gesehen. Du studierst jetzt? Ach, eh schon so lange? Und, irgendwelche Projekte am Start?" Jaja, so beginnt der Laberkopf sein Gespräch und mir schwant schon Übles. Flucht? Irgendwelche Ausreden bringen? Ich muss zu einer Organtransplantation schießt es mir durch den Kopf. Doch zu spät - meine durch jahrelang praktizierten Phlegmatismus beinahe gelähmte Reaktionsfähigkeit macht mir einen Strich durch die Rechnung. Jetzt hilft nur eines: Nicken bis zur Genickstarre und oftmaliges Phrasen wie "ah, echt?", "ist nicht wahr" und "das ist aber super" dreschen.

Kurze Checkliste geistig bereitstellen:

Regel 1: Niemals dem Laberkopf widersprechen. Dies würde die ganze Sache nur sinnlos hinauszögern. Regel 2: Vermeidung des Augenkontaktes bzw. herabschrauben auf ein halbwegs erträgliches Maß. Nur nicht zu interessiert dreinschauen,... obwohl, der Laberkopf würde ja eh nichts merken während er redet... da könnte ich genauso einen Kopfstand machen und mir Zuckerstangen in die Nase stecken. Regel 3: Bleib höflich aber unverbindlich - immerhin willst du einen zukünftigen Kontakt zu Laberkopf vermeiden aber dennoch nicht arschiger als unbedingt notwendig sein.
Ready, set, gooooooooooooooooooooooo!

Nun erzählt er, der tolle Laberkopf, mir wie toll er doch im Job wäre. Projekte und Connections rund um die Welt. Champagner, ein flotter Wagen und Kaviar... na du Glückskind, eigentlich müsstest du ja Dauergrinsen. Aber ich will ja nicht so sein und lasse mir vom Laberkopf im Großen und Breiten erklären wie die Welt funktioniert und wie genial er sich doch durch sämtliche Marktlücken zwängen könne. Zeit für begeistertes Schulterklopfen... ich packe meine spärlichen schauspielerischen Fähigkeiten aus und mache gute Miene zum bösen Spiel.

Ach ja, er würde jetzt spekulieren... so richtig an der Börse. Mit eigenem Consulter... ich glaube er meint den Typen der am Schalter der Raika steht. Beim Wort Spekulation fallen mir immer "Los nadies", die Niemand, von Eduardo Galleano ein. Die, die beschissen wurden und weiter beschissen werden. Aber was solls, ich könnte diesem Tropf nun erzählen wie solche Spekulationsgewinne erzielt werden, welche widerlichen Methoden und Praktiken hinter dem Zauberwörtchen Cash-Flow stecken. Aber er würde es eh nicht kapieren und ich rede nicht gerne gegen eine Wand. Außerdem würde es diesen ganzen peinlichen Auftritt eh nur verlängern. Das will ich nun auch wieder nicht.

Der Laberkopf erzählt mir nun von Reisen. Mein Interesse wird nun leicht geweckt - als alter Backpacker interessieren mich Reisen natürlich. Aber was dann kommt flasht schon ziemlich... all-inclusive Club in Thailand? Aber wirklich nicht. das ist keine Reise, das ist ein Urlaub. All-inclusive? Es wird deutlich schwerer für mich Begeisterung vorzuheucheln. Ich denke kurz zurück an mein einziges all-inclusive Vergnügen meines Lebens bei der Maturareise - nach drei Tagen Dauerparty entschloss ich mich damals die ganze Sache als langweilig zu empfinden und nie, nie wieder meinen Fuss in eine dieser grausig-sicheren Hotelanlagen zu setzen.

"Meine Freundin ist grad auf einen spirituellen Selbstfindungsseminar...!" erklärt er mir des langen und breiten. Und das sie beruflich Kleidung customized. Also wie jetzt? Selbstfindungsseminare und H&M Kleidung zerschnippseln? Klingt ja irrsinnig aufregend. Wohl auch so ein Projektmensch. Aber hey, ihr habt vielleicht keine Gemeinsamkeiten, seht euch nie aber dafür dürft ihr euch einreden welch tolle Lifestyler ihr seid.

Meine Geduld geht zur Neige. Mein Blick schweift zu Boden. Die Rettung, eine riesengroße Wasserpfütze. Mit letzter Kraft hechte ich zu Boden und ertränke mich selbst in der Wasserpfütze. Während ich so dahin ertrinke höre ich den Laberkopf weitersprechen. Meine Sinne schwinden... aber hey, wenigstens muss ich dem Laberkopf nicht mehr zuhören. Doch was jetzt? Er wandert weiter, ein Ertrinkender ist ja immerhin kein lohnendes Opfer für des Laberkopfes Tollkühnheit. Er ist weg. Ich erhebe meinen Kopf aus der Pfütze, reanimiere mich selbst und erfreue mich meines Lebens. War ja eigentlich gar nicht so schlimm... zumindest kam ich durch meine getürkte Suizidaktion dem unvermeidlichen Handynummeraustausch zuvor.

gracias por estar ahì

Miguel de Cervantes

4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Da ist schon was dran. So laberköpfe kenn ich ja auch zur genüge. Lästig sind die. Und in den meisten fällen stimmt ja eh ned einmal die hälfte was die so verzapfen. Wirklich uninteressant. Wenn ich da so nachdenke tz tz tz da werden versicherungsvertreter auf einmal zu controllern und der buchhalter der firma xy zum juniorboss wenn nicht gar zum konzernleiter in spe. Mühsam sind die, wirklich mühsam ;)

Miguel de Cervantes hat gesagt…

es is halt scho a Kreuz auf dera buckligen Welt... damit ich mal a ordentliches Opa-Sprücherl anbringe... Mit mühsam hast vollkommen Recht, dieses adjektiv ist treffend bis passend. Aber da hilft halt nur noch Eines: ignorieren oder Flucht. Ich bevorzuge Flucht. Am besten ganz weit weg. Dort wo es wärmer ist... mit Meer und allem drum und dran und man die Sprache der Eingeborenen nicht versteht. Hui wie toll es doch sein kann, wenn man einer Sprache NICHT mächtig ist. Wennst dann so beim Essen sitzt und hörst den Eingeborenen zu, verstehst aber kein Wort, dann hat das was mystisches. Die könnten ja was irrsinnig gscheides und wichtiges erzählen... ned so wie daheim, wo über das neue VW - Modell "philosophiert" wird... vielleicht sprechen ja die jeweiligen Eingeborenen deren Sprache man ned versteht ja auch über diesen blöden VW, mag schon sein, ist aber egal, weil wenn ichs nicht verstehe, dann kann ich immer noch davon ausgehen, dass sie es nicht tun... ähmm, ich glaub ich komme vom Thema ab. Was war doch schnell das Thema?

Anonym hat gesagt…

Das Thema waren Laberköpfe, aber das was Sie hier an den Tag legen, geschätzter Senhor de Cervantes, ist eher der Halluzinierer ;) (welch ein Wortungetüm!)

Aber was den Laberkopf stets so bizarr macht sind ja eigentlich seine absolut nachvollziehbaren logischen Schlussfolgerungen. zB: "Die Russen sind wie die Amerikaner, bloß anders...", "Ab dem nächsten Semester studiere ich Geologie, denn bei jeder Baustelle braucht man einen Geologen und Baustellen gibt es in Salzburg ja genügend!..." oder einer meiner Lieblingssätze: "Die Dänen sind ein verschlossenes Volk. Ich war zwei Tage dort und habe keinen Einheimischen kennengelernt." Eigentlich ja zum lachen, wenn's nicht so traurig schaurig wäre...

Ach ja und Versicherungsvertreter sind übrigens Freelancer im Finanzbereich. :D und trotzdem würde ich gerne viel mehr Einheimische und ihre Sprachen verstehen, Mystik hin oder her ich bin zu neugierig um nicht zu verstehen...

mit labernden Grüßen
Lila Elefant

Miguel de Cervantes hat gesagt…

... aber diese Dänen sind auch verschlossen ;)

Geologen bauen Straßen? Damit man über sie gehen/fahren kann? Irre... sind es die nach-Silvesterlichen Auswirkungen die mich derart wirres Zeugs schreiben lassen oder der Umstand, dass zuviele Seminarsarbeiten und Konzepte mich verblöden lassen? All diese Fragen... Was war noch mal schnell das Thema??? ;)