
Motive für eine Reise gibt es ja genug. Das reicht vom harmlosen "ich bin an fremden Kulturen interessiert", über "ich will endlich wieder in ein sozialistisches Land" bis zum moralisch verwerflichen "wie viele Mädels werde ich wohl ins Bett bekommen?". Die Motive der Reise sind also so unterschiedlich, wie die Menschen die reisen wollen. Aber ein großer Grund dürfte wohl allen zueigen sein... die genervte Flucht vor dem eigenen Kulturkreis.
Monate auf der Uni oder in der Arbeit... Alltag... immer die selben Gesichter... die selben miesen TV und Printmedien... das selbe Bier... die selbe Tiefkühlpizza... die selben Geschichten... ein Leben wie eine sich ständig wiederholende Soap Opera. Es muss doch noch was anderes geben, auf einer Reise fällt es bestimmt wieder ein.
Und so entzieht sich der wackere Reisende, im besten Falle bewaffnet mit Bankomatkarte, 25 kg Rucksack und einem Ticket aber keinen Plan im Gepäck, der eigenen Kultur und stürzt sich in das letzte, wenn nun auch schon entschärfte, Abenteuer - er beginnt zu reisen. Lässt alles was ihm auf die Nerven geht hinter sich, haut ab, macht den Schuh und sagt zum Abschied seinem Heimatland ein leises "Fuck You!".
Und so ist der Reisende schon bei Erreichen der ersten Destinationen total verzückt davon, kein Wort zu verstehen, sich in einem Land mit einer für ihn fremden Sprache zu befinden und einfach mal ein Fremder zu sein. Ein Fremder ohne Namen, ohne Geschichte, der auftaucht und wieder verschwindet... soviel zur Theorie.
In der Praxis musste selbst der Autor dieser Zeilen begreifen, dass sich schon nach einigen Tagen des fröhlichen travellings eine schier masochistische Sehnsucht nach Menschen, die nicht nur die selbe Sprache sondern auch den selben Dialekt sprechen, einstellt. Nicht dass man lange Zeit mit Leuten aus dem Heimatland verbringen möchte, man ist ja auf Reisen, aber nein, es sind wohl diese kleinen Momente. Ein "Prost" bevor man trinkt, ein "G´sundheit" beim Niesen oder einfach das ewige Schimpfen auf das Wetter. Von wegen "erschießt die Sonne" bei heißem, "verdammte Kälte" bei kaltem Wetter.
So ist es auch nicht verwunderlich, dass der Reisende, sollte er wirklich auf Stammesgenossen stoßen, sofort in verzücktes Geschwafel verfällt. So werden schon einmal Menschen, die sich sonst nie ausstehen würden und auch kein Wort miteinander sprechen würden, innerhalb von Minuten zu alten Freunden. Scheinbar zumindest. Der Dialekt wird übertrieben, beinahe kunstvoll, ausgesprochen. Man tauscht Erinnerung an die tollsten Leberkäsesemmeln aus. Man diskutiert über das jeweilige Fussballteam und schimpft über die Innenpolitik.
Der Reisende benötigt diese kurzen Momente des Vertrauten auf einer Reise wie ein Fixer Heroin. Auch wenn es keiner offen zugeben würde... man würde wahrscheinlich sogar mit Politikern der Konservativen und der blau-braunen Rülpser sprechen... wenn es nur die Chance böte, ein bisschen in den angestammten Dialekt zu verfallen.
gracias por estar ahì
Miguel de Cervantes
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