Samstag, Oktober 29, 2005

RE:Ich will doch nur bashen


Ein wirklich interessanter Artikel, den de Cervantes geschrieben hat. Doch will ich nicht seinen ganzen Artikel zerpflücken - nein – nur einen großen Teil und die Verherrlichung der "Geiz-ist-geil-Mentalität".

Im ersten und zweiten Absatz seines Artikels geht de Cervantes darauf ein, dass die großen Konzerne die braven Arbeiter entlassen und ihnen somit "ihre Existenzgrundlage" (de Cervantes, online, Ich will doch nur Bashen ) nehmen und sie quasi zwingen die Billigprodukte zu kaufen. Weiters schreibt er, dass diese Konzerne keine Steuern zahlen und in Billig-Lohnländern produzieren und sich selbst zu Opfern machen.

Betrachten wir doch nun diese Vorwürfe einmal von der anderen Seite:

Folgen der "Geiz-ist-geil-Mentalität"


  • Schaden für die lokale Wirtschaft (Konzerne und besonders Klein- und Mittelbetriebe)

  • Abwanderung der Wirtschaft ins Ausland

  • Schwarzarbeit


Um nicht gleich den Eindruck zu erwecken de Cervantes würde in keinem Punkt recht haben, möchte ich vorrausschicken, dass es durchaus "schwarze-Schafe" unter den Konzernen gibt - doch ist es völlig überzogen alle Konzerne über einen Kamm zu scheren.

Es gibt sicherlich genug Firmen, die auch Steuern zahlen. Doch selbst jene, die es nicht tun, haben einen Grund, welchen man durchaus bedenken sollte.

Im ersten Punkt der Liste spreche ich von Schäden für die lokale Wirtschaft.
Tatsächlich ist es so, dass durch den enormen Preisdruck, ausgelöst durch die Konsumenten, viele Klein- und Mittelbetriebe bankrott gehen, da sie diesem Druck nicht standhalten können. Nicht nur in Österreich oder Deutschland oder anderen EU Ländern. Nein - "Geiz ist geil" ist auch in Kamerun durchaus salonfähig.

Schaden für die lokale Wirtschaft

Zur Demonstration eine Statistik aus 2004:



  • 1996: Geringer Export von Hühnchenfleisch nach Kamerun. ( ~900 Tonnen )

  • 1999: Die EU subventionierte jedes Kilo Hühnerexportfleisch mit 0,50 €. FOLGE: die Preise der lokalen Produzenten wurden unterboten


Für die normale Bevölkerung in Kamerun schien der Import ein Segen zu sein. Billiges und bereits verarbeitetes Fleisch, welches wesentlich billiger war als die noch lebenden Hühner, die auf dem Markt von lokalen Produzenten angeboten wurden. Doch
für die Viehzüchter bedeutete dies einen radikalen Gewinneinbruch.



  • 2000: Ende des Exportbooms aus diversen Gründen.


Seit 2001 wird der Export von Hühnchenfleisch(teilen) direkt von den Konsumenten finanziert. Die Produzenten der EU hoben den Preis um einige Cent an und subventionierten sich damit selber. Der Preis für ein ganzes Huhn betrug in Kamerun etwa einen Wochenlohn. Somit war Huhn ein sehr seltenes und festliches Essen.



  • 2003: Importrate für Hühnerfleisch: 24 000 Tonnen. Die Zahl entsprach mehr als 80%(!) des ges. Verbrauchs.


    • FOLGE: Es überlebten bis heute 8 von 100 kleineren Hühnerfarmen (=Farmen mit <100>

    • FOLGE: Verlust von 110 000 Jobs in der Landwirtschaft

    • FOLGE:1 Tonne importierter Hühner behindert die Züchtung von 500 lokalen Hühnern und somit den Konsum von 1,5 Tonnen Mais. >> D.h. nicht nur Hühner- sondern auch Maisproduzenten sind betroffen




Wie es in diesem Beispiel die Hühnerproduzenten getroffen hat, trifft es bei uns den kleinen "Tante Emma" Laden an der Ecke den alle für "den Fall der Fälle" haben wollen aber welcher dem Preisdruck nicht standhalten kann, die lokalen Elektronik und Bekleidungshersteller sowie Ingenieursbetriebe und Bauunternehmen, welche unter zunehmender Schwarzarbeit leiden.
Die "Geiz-ist-geil-Mentalität" macht die kleinen Betriebe im "großen Stil" kaputt. Es ist ja auch viel angenehmer einen Halbprofi einzustellen, ihm 100 € Bar auf die Hand zu zahlen, als eine professionelle Firma zu beauftragen sich um die Aufgabe zu kümmern, welche für den gleichen Job jedoch 150 € oder gar 200 € nehmen würde. Doch nicht nur Privatpersonen fördern die Schwarzarbeit - auch im Gewerbe ist die Schwarzarbeit ein großes Problem. Um die Konkurenz unterbieten zu können, werden Schwarzarbeiter eingestellt - sie sind billiger und ermöglichen es somit ein Projekt günstiger zu finanzieren. Alleine in Berlin gingen die Schäden welche dem Staat entstanden sind in die 2 stellige Millionenhöhe. Bundesweit liegt der Betrag
bei etwa 475 Million €. (vgl. Welt.de)

Bitte nicht missverstehen: Dies ist KEIN Vorwurf gegen Nachbarschaftshilfe oder Hilfsbereitschaft unter Bekannten.

Noch ein nicht zu vernachlässigendes Argument gegen diese Einstellung ist, und da werden mir Tierschützer sicherlich zustimmen, dass die Transportwege für Tiere immer größer werden. Um Tierprodukte billig zu halten werden diese einmal quer durch Europa gekarrt nur weil sie am anderen Ende dieses Staatenbündnisses billiger sind und bei großen Mengen dennoch die Transportkosten + Gewinn einbringen. Neben dem Leiden der Tiere kann man auch noch die zusätzliche Schadstoffbelastung für die Umwelt anführen.

Abwanderung der Wirtschaft ins Ausland

de Cervantes kritisierte dass die Firmen ins Ausland gehen und sich selbst zu Opfern machen sowie dass "sämtliche Produktionszweige die auch in billigeren Ländern bewerkstelligt werden können schon längst abgewandert" (de Cervantes, online, Ich will doch nur Bashen ) sind.

Doch stellen wir uns einmal die Frage warum das der Fall ist.



  1. Herstellung von Produkten in Billig-Lohnländern


    • Auf die Firmen wird von der Bevölkerung mächtig Druck ausgeübt. Die beste Qualität zum niedrigsten Preis ist der Wunsch des Kunden und dem müssen die Einzelhändler und Produzenten nachkommen, wenn sie morgen auch noch etwas verkaufen möchten. Doch ist das Problem, dass in unseren Breitenkreisen die Arbeiter sehr viel kosten - im Vergleich zu Billig-Lohnländern. Je mehr Arbeiter ich also z.B.in Deutschland oder Österreich einstelle desto mehr kosten sie mich und desto teurer wird mein Produkt.
      D.h. ich habe einen entscheidenen Wettbewerbsnachteil zu anderen Firmen welche ihren Arbeitern weniger zahlen müssen. Die Firma hat nun mehrere Möglichkeiten:



      1. Sie ignoriert den Nachteil und verkauft bedeutend weniger als andere => große Gewinneinbußen => muss daher früher oder später Gehälter kürzen, Mitarbeiter entlassen oder Konkurs anmelden


      2. Sie erkennt den Nachteil, kürzt gleich die Gehälter, entlässt später die Arbeiter und hofft dann doch nicht Konkurs anmelden zu müssen oder


      3. Sie erkennt den Nachteil und wandert teilweise oder sogar ganz in Länder mit billigeren Arbeitskonditionen ab.


      Qualität hat eben ihren Preis, doch sind leider viel zu viele Menschen nicht bereit den auch zu zahlen. Dadurch werden die lokalen Unternehmen wieder nicht unterstützt, was zu Gewinneinbußen führt, was zu Gehaltskürzungen führt usw. Ein Kreislauf der nur schwer zu beenden ist und die gefürchtete Globalisierung mit großen Schritten voran treibt.




  2. Abwanderung von Produktionszweigen in billigere Länder

    • Im großen und ganzen haben wir hier die selbe Situation. Das gleiche Problem. Es würden sich wesentlich mehr Konzerne hier ansiedeln wenn die Arbeit nicht so teuer wäre. Deswegen gibt es teilweise geringfügige Subventionen um den Firmen einen Anreiz zu bieten der hier ansäßigen Bevölkerung Arbeit zu geben. Wie groß dieser Unterschied zwischen Billig-Lohnländern und den lokalen Gegebenheiten ist zeigt folgendes Beispiel:
      In Vietnam beträgt der Monatslohn eines Fabrikarbeiters durchschnittlich ~ 6000 Dong - das entspricht in etwa 30 €. In Deutschland liegt das Durchschnittseinkommen (Netto) jedoch bei 2670 € (2003). D.h. die Firma muss hier den Bruttolohn zahlen + Lohnnebenkosten welche in Deutschland und Österreich sehr hoch sind. D.h. die Frage sollte lauten, warum soll eine Firma hier produzieren wenn es in Vietnam um sovieles billiger geht?



Der Spruch "Geht es der Wirtschaft gut, geht es uns allen gut" hat schon seine Richtigkeit. Doch ist es so, dass es Zeit braucht bis sich das positive in der Wirtschaft bis auf den normalen Arbeiter auswirkt und in Zeiten wo die Konjunktur weltweit abnimmt ist es um so schwerer. Doch anstatt jetzt Angst vor der Zukunft zu haben, sollten die Menschen investieren und der Wirtschaft die nötige Liquidität bieten um weiter machen zu können - um ausbauen zu können. Das Problem ist, es nutzt nicht viel wenn 100 Menschen an die Zukunft glauben - es muss das Volk sein. Anstatt mit "Geiz ist geil" zu werben, sollte es heißen "Invest NOW!". Warum ging es denn in den 20er Jahren aufwärts? Die Menschen glaubten an eine Verbesserung, an eine bessere Zukunft. Das Problem wird erst gravierend wenn die Menschen zweifeln. Der Glaube der Menschen an die Zukunft beeinflusst ihre Einstellung, ihr Konsumverhalten. Lass die Menschen glauben die Deutsche Bank wäre zahlungsunfähig und die Bevölkerung wird die Fillialen stürmen um Geld abzuheben und in der Folge wird die Bank zahlungsunfähig sein.

Der Glaube an eine bessere Zukunft und funktionierende Wirtschaft, der Glaube dass Qualität einen Preis hat der es wert ist gezahlt zu werden ist der richtige Weg aus dem Tief in dem wir uns derzeit befinden.

So Long,
FlowMotion

Keine Kommentare: