Samstag, Dezember 10, 2005

Hypersensibel

Arrrrrghhhh... von Zeit zu Zeit muss auch der Satiriker schimpfen. Che passa mit den Menschen? Lebe ich umgeben von Menschen, die allesamt so nah am Wasser gebaut sind, dass sie durch ihre bloße Anwesenheit New Orleans für Wochen unter Wasser setzen könnten? Wie oft kann man einen Menschen am Tag dazu zwingen, das Gefühl zu haben, sich für irgendetwas entschuldigen zu müssen, auch wenn man garantiert weiß, nichts, aber auch gar nichts, falsch gemacht zu haben?

Beizeiten gehe ich davon aus, dass ich einen Menschen beleidige weil ich ihn beleidigen will. Was soll dann all der Blödsinn von wegen "Entschuldige dich doch!"? Nein, wenn ich mich sowieso für etwas entschuldigen würde, dann hätte ich die zu entschuldigende Aktion ja gar nicht erst starten müssen. Und was ist mit all dem "Ich hab das nicht so gemeint!" - Zeugs? Nein, auch hier muss ich persönlich abwinken. Ich meine nämlich alles so, wie ich es sage, es tut mir auch nicht leid und war mit Sicherheit niemals im Eifer des Gefechtes oder sonstwelchen Unsinn.

Ist es etwa mein Problem, wenn manche hypersensiblen Menschlein immer meinen, alles bitterernst nehmen zu müssen und dabei ihre Tränchen verdrücken. Damn, mir doch egal! Mehr noch, in Zukunft wird zurückgeschlagen... wider der Sensibilität!

Ab heute beginne ich damit, wehrlose Schnecken vor Greenpeace-Aktivisten zu zertreten - ich werde mich dafür nicht entschuldigen und mein schlechtes Gewissen hinter einem süffisanten Grinsen verbergen. Ab heute bezeichne ich jeden, der nicht aus dem Stand die chemische Formel für Zucker sagen kann als Idioten - ich werde mich dafür nicht entschuldigen und mit einem arroganten Lächeln lautstark "C6H12O6" rufen. Und vor allem: Mit dem Gratis-Verteilen von Taschentüchern ist nun Schluss - ab heute bringe ich grundlos Menschen zum Weinen und überreiche keine tränentrocknenden Taschentücher mehr.

Aber halt... was schreibe ich denn da für einen Unsinn... sich zu entschuldigen ist eigentlich doch toll... in Wahrheit hab ichs ja nicht so gemeint... die chemische Formel für Zucker ist doch egal... alleine der Gedanke an das Zertreten von wehrlosen Schnecken bereitet mir nun Unbehagen... und Menschen zum Weinen bringen - wie soziopathisch kann man eigentlich sein?

Nun ist es glaub ich soweit. Verehrte Leserin, geehrter Leser und geneigte Sozialvoyeuristen. Es tut mit Leid. Es tut mir Leid, Ihre Zeit einmal mehr mit einem Posting dieser Kategorie verschwendet zu haben. Ich habe es wirklich nicht so gemeint und es war eine reine Affekthandlung. Ich schäme mich richtiggehend dafür, bin am Boden zerstört über meine eigenen Zeilen. "Entschuldigen Sie!"

gracias por estar ahì

Miguel de Cervantes

6 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

na na na, senhor de cervantes! Mal wieder einen Rückzieher gemacht? Schwächling!!! :P

Die Idee mit dem Gegenangriff finde ich viel besser!

mit streitlustigen Grüßen
Lila Elefant

Miguel de Cervantes hat gesagt…

Nun denn... gerne würde ich den Gegenangriff als besser befinden. Doch gibt es einige starke Hinderungsgründe hierzu. Hinderungsgrund 1: weinende Menschen sind lästig und man weiß in solchen Situationen nie was man sagen soll, aus diesem Grunde bringe ich lieber meine Mitmenschen zum Lachen. HInderungsgrund 2: Aus bisher unergründlichen Gründen mag ich Schnecken - würde also niemals wissentlich und absichtlich eines dieser langsam-kriechenden Tiere ermorden - was im Gegensatz für Autoteile zerkauende Marder in keinem Falle zutrifft (auch wenn die so richtig putzig aussehen). Hinderungsgrund 3: Ich bin ein Luschi. Ich würd so eine richtige Beleidigung ohne anschließenden Entschuldigungsreigen niemals glaubwürdig durchziehen können! ;)

Es tut mir also leid (muhahaha, schon wieder entschuldigt), einmal mehr eingeknickt zu sein und den Gegenangriff durch nachfolgendes "netter-Mensch" Getue entschärft zu haben.

mit versöhnlichen Grüßen

Miguel de Cervantes

Anonym hat gesagt…

Nun denn, da tun Sie mir ja ganz ehrlich und aufrichtig leid. Ich kenne solche Hypersensibelchen ja nur zu gut und trete des öfteren ins "du bist so unsensibel" Fettnäpfchen. Doch was sollte man zu jemandem, der seit Tagen über die südländische Location an der er sich befindet lästert und bei jeder sich bietenden Gelegenheit betont, dass bei ihm zu Hause alles 1000 mal besser ist, schon anderes sagen als „Warum bist du dann eigentlich wieder hergekommen, wenn’s dir eh nur zu Hause gefällt?“ Erscheint mir doch berechtigt und mehr sogar noch äußerst nahe liegend, diese Frage. Und sie war auch in neutralem, keineswegs genervtem Tonfall gestellt. Nix da, denkste! Heulalarm! Aber daraus sollte man lernen, Hypersensibelchen sind die Meister(Innen) der Inszenierung. Also, Senhor de Cervantes, die Lösung ist ganz einfach! Setzen Sie doch das nächste Mal Ihre augenscheinliche Entschuldigungsschwäche als Waffe ein. Unter dem Motto: Angriff ist die beste Verteidigung! Wenn Sie wissen, dass Ihr Gegenüber nahe am Wasser gebaut ist, so springen Sie mitten in den Ozean! Beim ersten Anzeichen von Gefühlsduselei, fangen Sie selbst an zu heulen!!! Entschuldigen Sie sich! Ja, mehr noch entschuldigen Sie sich dafür, dass Sie heulen, dass Sie sich entschuldigen! Der Gedanke, den nächsten, der mich vollsülzt wie gestresst er nicht ist, dass der Freund mit ihr Schluss gemacht hat, oder noch schlimmer, dass Beziehungen ja soooo anstrengend sind oder wie böse die ganze Welt nicht zu ihm ist (und zwar nur zu ihm) neben meinen kunstvoll aber baulich äußerst fragwürdig errichteten Bücherturm zu stellen und abzuwarten was geschieht, wenn ich in seine/ihre Richtung niese erscheint mir zwar verlockend, erfolgsversprechender ist aber doch eine andere Strategie: Dem nächsten, der sich bei mir beschwert heul ich etwas vom Ende dieser Welt vor! Und wie leid mir nicht alles tut! Ich werde ein herzzerreißendes Schluchzen einstudieren, das in jedem augenblicklich Mitleids- und Schuldgefühle erregt. Und im Inneren lache ich dann teuflisch, denn ich bin ja kein netter Mensch. Nicht wirklich…

Und zu Hinderungsgrund 2: TierschützerInnen sind sowieso das übelste und verschlagenste, was einem begegnen kann. So viel Moral und so viel Schlechtes-Gewissen-Einrederei weckt in mir seit ich so einem Greenpeace-Typen einmal auf den Leim gegangen bin, sowieso nur mehr Kampfeslust! Darum werden Aussagen wie „Weißt du, dass es in manchen Ländern Asiens noch erlaubt ist Hunde zu schlachten und zu essen“ grundsätzlich mit der Gegenfrage „Ja und? Glaubst du etwa für dein mittägliches Schnitzel wurde nichts geschlachtet? Oder bist du etwa Vegetarierin?“ quittiert. Dabei kann man getrost davon ausgehen, dass TierschützerInnen in den seltensten Fällen VegetarierInnen sind, und dass sie außerdem noch seltener auf rationale Gründe in ihrem Argumentationsstrang zurückgreifen, die einen tatsächlich davon überzeugen könnten, sich für ihre Sache einzusetzen. So hat betreffende Hundeschützerin auch nicht versucht mich argumentativ von der Grausamkeit zu überzeugen, mit der Hunde geschlachtet werden (nein das hat dafür ein betreffender Fernsehkoch geschafft ;) sondern meinte bloß „Ja aber das ist doch was anderes!!! Du kannst doch einen Hund nicht mit einer Kuh vergleichen! Eine Kuh ist kein Haustier“ Und ab! So schnell tritt Hundelady ins Fettnäpfchen ihres Schnuffis und muss einen nicht enden wollenden Vortrag über die Bedeutung der Kuh in fernöstlichen Kulturen über sich ergehen lassen! Wenn ich also schon als herzlos und unsensibel dastehen muss, dann bitte richtig! Und ganz ohne nachträgliche Schuldgefühle! Böse Menschen haben zumindest weniger Magengeschwüre!

Also, sehr geehrter Senhor de Cervantes, bevor dieser Kommentar nie mehr endet! Heulen Sie doch das nächste Mal dem Marder, der Ihr Auto auseinander nimmt etwas vor, vielleicht verblüfft ihn das so sehr, dass er nie mehr wiederkommt. Und lachen Sie die Zuckerbanausen ruhig aus, denn sie haben es verdient! Hauptsache, Sie setzen danach ein engelsgleiches Lächeln auf! Denn wer könnte Ihnen dann schon böse sein?

mit einem teuflischen Grinsen

Lila Elefant

PS: Ich habe der Tierschützerin übrigens letzten Endes eine 10-Euro-Spende, cash, angeboten. Die sie abgelehnt hat. Denn scheinbar sind es die armen Hunde auch nur dann Wert gerettet zu werden, wenn man seine Seele dafür verkauft… ähm… ich meine natürlich… seine Kontonummer für einen Abbuchungsauftrag preisgibt. Also bin ich von dem Geld dann ein Schnitzel essen gegangen.

Miguel de Cervantes hat gesagt…

Dem kann ich nun nicht mehr viel entgegnen... ich werde mir Ihre, zugegebenermaßen gefinkelten Handlungsmöglichkeiten, durch den Kopf gehen lassen. Des weiteren werde ich nun immer eine kleine Tube Mentholhaltiger Salbe mit mir schleppen, um daraufhin, nachdem ich mir dieses Zeugs unters Auge geschmiert habe, tatsächlich erbämrlichst weinen zu können.

Mit begeisterten Grüßen

Miguel

Anonym hat gesagt…

Sie lernen schnell, geschätzter Senhor de Cervantes! Ich bin stolz auf Sie!

mit überwältigten Grüßen und Tränen in den Augen

Lila Elefant

Miguel de Cervantes hat gesagt…

Oh, ein Kompliment aus dem Munde einer wahren Kennerin des gekünstelten heulens erfüllt nun mein kleines, von Zigarettenrauch geschundenes, Herz mit großem Stolz, Freude und der gebotenen Ehrfurcht.
Ich kann meinerseits die Tränen der Rührung kaum mehr Unterdrücken :)

mit hochehrerbietenden Grüßen

Miguel